50

an den Frauen selbst, weil sie in ihren Ansprüchen an das Leben viel zu genügsam und bescheiden sind. Sie sagen sich nicht, dass es unwürdig ist, gerade nur das Allernotwendigste zum Leben zu ver­dienen, auf viele Lebensgenüsse zu verzichten, nicht einmal einen Notgroschen ersparen zu können. Sie sehen die Laufbahn vielfach mit mehr oder minder Geduld und Ergebung als das Martyrium an, durch das sie endlich zu dem ersehnten Himmel der Ehe aufsteigen werden/ 4 Zu der Zahl der Frauen, die ihren Beruf von diesem Gesichtspunkt aus ansehen, gesellt sich die gleichfalls nicht geringe Zahl derer, die im Hause der Eltern oder Geschwister wohnen und die an ihrer Familie einen Rückhalt besitzen. Ähnlich wie in der häuslichen Gewerbethätigkeit diese Mädchen und Frauen ihre Kunst­fertigkeit für Anfertigung von Näharbeiten und Stickereien zu einem schmachvoll niedrigen Preise den Unternehmern anbieten, begnügen auch jene Gehilfinnen sich mit den geringsten Gehältern und drücken dadurch nicht nur die Gehälter der auf Gewinnung des ganzen Lebensunterhalts angewiesenen Frauen, sondern auch die der männ­lichen Kollegen.

Anderseits Averden auch \ T iele Frauen unverschuldet in die Not- Avendigkeit versetzt, mit jedem Gehalt vorlieb nehmen zu müssen. Es ist nämlich Thatsache, dass viele Frauen erst durch unvorhergesehene Ereignisse, Todesfälle, plötzliche Verschlechterung der Avirtschaft- lichen Lage u. dergl. der kaufmännischen Laufbahn zugetrieben Averden. Natürlich ist dann keine Fachausbildung vorhanden, und man muss sich mit jeder Arbeit und jedem Lohn begnügen. Eine Fortbildung ist bei der langen Arbeitszeit meist nicht möglich.

Die NotAvendigkeit des Miterwerbs beschränkt sich für die Töchter zumeist nur auf die Zeit vor der Ehe; mit der Verheiratung hört die ErAverbsthätigkeit in der übenviegenden Mehrzahl der Fälle auf, und so kommt es, dass die Beschäftigung nicht als Lebensberuf auf­gefasst Avird. Der Trieb, materiell emporzukommen, Avirkt nicht stark, da die Beschäftigung nur Avenige Jahre dauert. Ein nicht geringer Übelstand ist es ferner, dass die NotAvendigkeit des Miterwerbs weib­licher Familienangehöriger nicht gleichzeitig die Forderung in sich schliesst, den gesamten Lebensunterhalt zu verdienen, dass also von dem Familienoberhaupte nur auf einen Zuschuss zu den Lebensbe­dürfnissen gerechnet Avird. Naturgemäss Avird aus diesem Grunde auch auf die Ausbildung nicht dieselbe Sorgfalt und derselbe Kostenbetrag aufgeAvendet, wie für die Söhne, die zeitlebens auf eigenen Füssen stehen müssen. Zu all dem kommt die grössere Bedürfnislosigkeit der Frau gegenüber dem Manne bezüglich einer Reihe materiell sehr ins Gewicht fallender Gebrauchsgegenstände. Schliesslich müssen wir bei einer allgemeinen Betrachtung der Lohnverhältnisse auch den Um­stand berücksichtigen, dass A\ r eibliche Angestellte ihre Thätigkeit nicht selten auf längere Zeit unterbrechen müssen, was ein langsameres