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grossen Geschäfte, in welchen allein die Korrespondenz umfangreich genug ist, um das Tagewerk zu füllen, nur erst vereinzelt höhere Stellungen sich erobert haben, während in den Mittelbetrieben die Buchhalterin die Korrespondenzen nebenbei mit besorgt; anderseits auch macht der selbständigen Korrespondentin die Stenographin, welche Briefe nach Diktat schreibt, den Bang streitig.
Eine Korrespondentin muss ausser der Volksschule bezw. Fortbildungsschule auch eine Handelsschule besuchen. Die Ausbildung der Korrespondentin ist der der Buchhalterin gleich. Meistens geht jene aus der Buchhalterin oder Expedientin hervor, da selbständig zu korrespondiren — von hervorragender persönlicher Begabung für diese Thätigkeit abgesehen — gewöhnlich nur diejenige übernehmen kann, die Geschäftspraxis, Kundenkreis und Artikel gut kennt.
Die Gehälter sind ähnlich den der Buchhalterin gezahlten. Nach voraufgegangener längerer praktischer Thätigkeit pflegt bei einem Stellenwechsel mit 100—120 M., aber auch manchmal mit 150 M. monatlich angefangen zu werden, namentlich wenn Beherrschung fremder Sprachen vorhanden ist.
Sollen die Mädchen erst mit siebzehn oder achtzehn Jahren ihre kaufmännische Laufbahn antreten und sich auf diese vorher gründlich und durch Jahre vorbereiten, dann dürfte allerdings von Anfangshonoraren, wie sie jetzt gezahlt werden, nicht die Rede sein. Wo für eine zehn- bis elfstündige Tagesarbeit ein Monatsgehalt von 40 bis 50 M. geboten wird, darf man sich nicht darüber wundern, dass die Leistungen weit unter dem Niveau der Mittelmässigkeit bleiben, dass die Vorbereitung für den Beruf aufs flüchtigste abgethan wird und dass in naturgemässer Folge auch dann, wenn der Bedarf zu höherer Entlohnung drängt, die Kraft nicht vorhanden ist, die sie verdienen würde. Denn die ungenügende Entlohnung ist nicht immer die Folge der ungenügenden Leistung; sie kann bekanntlich auch deren Ursache sein.
5. Die Stenographin
Die Stenographin erlernt ihre Kunst in Kursen, welche in allen grösseren Städten bestehen und in der Regel von Vereinen veranstaltet werden. Diese Gesamtkurse, an denen Herren und Damen teilnehmen, finden in Berlin allmonatlich statt und werden durch Säulenanschläge bekannt gegeben. Der Unterricht umfasst 12 Lehrstunden und kostet 6 M., das Lehrbuch 1 M. Privatunterricht kostet 25—40 M. Ausser diesen öffentlichen Kursen wird in Berlin in der Stenographie Unterricht erteilt: im Lette-Verein, Königgrätzerstr. 90, in der Fortbildungsschule für weibliche Angestellte u. s. w. In kaufmännischen Geschäften erhält die Stenographin anfänglich 60 — 90 M., doch steigt das Ein-