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11. Die Buchliändlerin

In Deutschland mehrt sich fortwährend die Zahl der Buch­handlungen, die weibliche Angestellte haben. In Österreich hat der Verein für erweiterte Frauenbildung es erreicht, dass die Wiener Buch-, Kunst- und Musikalienhändler beschlossen haben, solche Mädchen, welche die zweite Klasse der Gymnasialschule (= höhere Töchterschule) mit gutem Erfolg absolvirt haben, als Lehrlinge auf­zunehmen und nach Ablauf der vorgeschriebenen drei- bis vierjährigen Lehrzeit als Gehilfen anzustellen. Diese beziehen sofort nach ihrer Anstellung das übliche Erstgehalt, dessen Steigerung durch wachsende Tüchtigkeit und Dienstzeit der Besoldeten bedingt ist. Es wird hin­sichtlich der Leistung, Bezahlung, des Anspruchs auf Unterstützungs­und Krankenkasse zwischen männlichen und weiblichen Berufsgenossen kein Unterschied gemacht.

In den Vereinigten Staaten von Kordamerika wurden 1890 bereits 219 Verlagsbuchhändlerinnen gezählt; diese Zahl dürfte inzwischen noch bedeutend gestiegen sein.

Der Buchhandel kann nur praktisch erlernt werden; er ist eine Welt für sich. Die buchhändlerischen Arbeiten haben ihren eigenen Stil, die buchhändlerische Buchhaltung ist von der in kaufmännischen Geschäften üblichen nicht unwesentlich verschieden, doch ist es mit der nötigen kaufmännischen Vorbildung nicht schwer, sich hineinzu­finden. Die Vorbildung einer höheren Töchterschule genügt im all­gemeinen für einen Lehrling. Die Kenntnisse von Griechisch und Latein sind nur für den wissenschaftlichen Verlag nötig; hingegen ist Kenntnis der modernen Sprachen sehr am Platze. Auch im Buch­handel finden die jungen Damen zumeist für die leichten Kontorarbeiten und als Korrespondentinnen Anstellung, und zwar die mit einfacher Bildung für die ersteren, die mit höherer Schulbildung mehr für die letzteren Posten. Tüchtige und strebsame Damen bilden sich auch noch zur vollgültigen Buchhandlungsgehilfin aus und werden in den Verlagshandlungen zu redaktionellen Arbeiten, Korrekturenlesen u. a. herangezogen. Auch die Druckereien stellen vielfach Damen an. Hier werden sie ebenfalls zum Korrekturlesen verwandt, wenn sie eine ge­nügende Bildung besitzen.

Auch in Leihbibliotheken finden die Frauen Beschäftigung. Sie werden in der Bibliothek selbst ausgebildet und erhalten monatlich 50-120 M.

Zur selbständigen, erfolgreichen Leitung eines Verlagsgeschäftes ist nicht nur Kapital und Fachkenntnis, sondern auch Vertrautsein mit der Litteratur des In- und Auslandes, Sprachkenntnis, Rechnen, eiserne Willens- und Arbeitskraft und Ausdauer erforderlich. Die Hauptbedingung ist, Kapital selbstverständlich vorausgesetzt, eine gründliche praktische Vorbildung, die nur durch das Lernen von der