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beim männlichen Schneider anfertigen, und in der Damenmäntel- Konfektion ist der männliche Schneider fast* ausschliesslich thätig. Diese Arbeit könnte aber ebensogut von Frauen verrichtet werden (die nötige Vorbildung und der erforderliche Geschmack natürlich vorausgesetzt).

1. Schneiderinnen und Putzmacherinnen

Den selbständigen Schneiderinnen und Putzmacherinnen entsteht allerdings durch die Modenhäuser einige unliebsame Konkurrenz. Aber trotzdem haben die Schneiderin und die Modistin, wenn sie Tüchtiges leisten, sehr guten Erwerb.

Die Schneiderin braucht ungefähr 6 Monate Unterricht, thut aber gut, sich 12 Jahre in einem grossen Atelier zu beschäftigen, um Übung und Sicherheit zu gewinnen, ehe sie praktizirt. Es bestehen fast in allen Städten Unterrichtsanstalten für Damenschneiderei. In Berlin z. B.: Der Lette-Verein (Königgrätzerstrasse 90), wo der Unter­richt 4 Monate (ä 15 M. Honorar) umfasst; ferner der Verein Jugend­schutz (Vorsteherin Frau Bieber-Böhm, Kaiser Wilhelmsstrasse 34), die Viktoria-Fortbildungsschule (Tempelhofer Ufer 2) u. s. w. Um das Putzmachen gründlich zu erlernen, braucht man mindestens 6 Monate und zwar 3 für die Frühjahrs- und Sommermode, 3 für Herbst- und Winterspezialitäten. Lehranstalt: Lette-Verein (Honorar wie bei Schneiderei). In Privatgeschäften kostet der Kursus 40 bis 60 M. Das für das Erlernen von Schneiderei und Putz angelegte Kapital rentirt sich gut. Eine tüchtige Schneiderin bekommt für die Her­stellung eines einfachen Kleides, das 2 Personen in einem Tag an­fertigen können, 15-20 M., für elegantere Roben 4075 M. In der Regel kommen noch dazu nicht unerhebliche Vorteile durch das Liefern der Futterstoffe, Besätze, sowie häufig des Kleiderstoffes selber.

Aber nur tüchtige Schulung, natürlich Talent und Geschick vor­ausgesetzt, in einem Geschäfte von Ruf kann zu einem Einkommen führen, welches über das Unentbehrliche hinausreicht. Eine Haupt­bedingung zu dieser, wie zu den meisten Berufsarten ist eine gründ­liche Ausbildung; je mehr dieselbe ausgestaltet wird, je mehr Zeit ihr gewidmet wird, desto grösser sind die Chancen für die Zukunft.

Die Schneiderin soll eine Künstlerin sein. Wenn in Deutsch­land eine einheimische Mode nicht zur Herrschaft gelangen will, wenn die Modelle nach wie vor aus Paris geholt werden, so liegt die Schuld nicht zum wenigsten an der Geringschätzung, die der deutschen Schneiderin von der Öffentlichkeit entgegengebracht wird.

Die Schneiderin von ehedem und heute sind zwei grundverschiedene Wesen. Während man sich früher bei Anfertigung von Frauen­bekleidung damit gegnügen liess, der herrschenden Mode streng Rech­nung zu tragen, hat sich jetzt die Erkenntnis, dass diese nicht allein