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ihrem künstlerischen Werte nach von der Maschine nie erreicht werden können. Bei Fleiss kann denn auch eine einigermassen auskömmliche Existenz errungen werden; wo jene höherstehende Geschicklichkeit jedoch nicht vorhanden ist, wird ohne Nebeneinkommen von Aus­kommen die Rede nicht sein können. Die Kunststickerei wird ver­hältnismässig noch am besten bezahlt, setzt aber auch die gründlichste Schulung und das meiste Geschick voraus.

Als hervorragende Erwerbsquelle sind weibliche Handarbeiten nicht mehr anzusehen, denn trotz allen Fleisses wird eine geschickte Handarbeiterin nicht mehr als 500 M. im Jahre verdienen können. Den Löwenanteil am Gewinn pflegen die Stickereigeschäfte oder Unternehmerinnen davonzutragen, die eine grössere Anzahl von Frauen mit Sticken und den übrigen Handarbeiten beschäftigen. Zudem drückt das gewaltige Angebot von Arbeitskräften den Lohn erheblich herab. Vorwärts dringen kann nur diejenige Frau, die mit tüchtigem technischem Können die Fähigkeit besitzt, Muster zu entwerfen und vielleicht auch den Pinsel zu führen. Es kommt eben wesentlich darauf an, Neues zu ersinnen und das Ersonnene auch wirkungsvoll auszuführen.

Zum Erlernen kommen die verschiedenen Kunstgewerbeschulen in Betracht. Eine besondere Kunsthandarbeitsschule unterhält der Letteverein in Berlin. Das Programm dieser Schule ist folgendes:

1. Systematische Unterweisung in allen Kunsthandarbeiten, Holbeintechnik, Knüpfarbeit (Macrämö), Filetguipure, Spitzen­klöppeln , Weisstickerei auf Battist, altdeutsche Leinen­stickerei, Leinendurchbruch (Reticella), Points, Pointlace,

A-jour - Stickerei, Elfenbeintechnik, arabische und Janina- Stickerei, grob und fein spanische Stickerei, Plattstich, Nadel­malerei, Applikation, Gold- und Silberstickerei, Paramenten-,

Fahnen- und Wappenstickerei u. s. w. 2 mal 3 Stunden wöchent­lich, pro Monat.M. 6.

2. Kursus für Einrichtung von Kunsthandarbeiten. Durchstechen der Muster, Übertragen derselben auf Stoff jeglicher Art, Vorarbeiten für Applikation und Goldstickerei, Vergrösserung resp. Verkleinerung von Mustern mittelst ver­schiedener Apparate u. s. w., Dauer des Kursus 2 Monate,

2 mal wöchentlich 3 Stunden, pro Monat. 5.

3. Kursus im Ornament-Zeichnen und Koloriren, Ent­

werfen von Mustern für Kunststickerei u. s. w. wöchent­lich 3 mal 3 Stunden, pro Sommersemester 20 M., pro Winter­semester .,, 30.

4. Kunstgewerbliche Abteilung. Unterricht im Lederschnitt,

Ätzen auf Metall und Stein. Leder- und Holzbrennen, Porzellanmalen, Kerb- und Flachschnitt in Holz u. s. w. 2 mal wöchentlich 3 Stunden, pro Monat. 6.

5. Kunststickerei (Plattstich, Stilstich, arabisch, Durchbruch, Hohlsaum, Applikation u. s. w.) auf der Nähmaschine (Singer-, Langschiffchen-, Ringschiffchen-System) ohne be­sonderen Apparat in verschiedenem Material: Maschinen-,

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