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Infolge der fortschreitenden Einengung der hauswirtschaftlichen Thätigkeit ist für die Frauen die Möglichkeit, eine solche Beschäftigung zu finden, nicht mehr besonders gross. Das Weben, das Verfertigen von weiblichen Kleidungsstücken, die Herstellung von Konserven und Kerzen, wie überhaupt die Bereitung der mannigfachsten Nahrungs­mittel und Gebrauchsgegenstände werden heutzutage allenthalben von der Grossfabrikation betrieben. Ausser in kleinen Orten ist auch die Beköstigung der Gehilfen aus dem Hause heraus verlegt, und auch dadurch ist zahlreichen Frauen das Gebiet haus wirtschaftlicher Thätig­keit eingeschränkt worden. Hätte Goethe zu unserer Zeit gelebt, so würde er in seiner zweiten Epistel kaum geschrieben haben:

Wahrlich! Wären mir nur ein Dutzend der Mädchen im Hau«e,

Niemals wär' ich verlegen um Arbeit!

Das Wachsen der Grossbetriebe und die zunehmende Arbeits­teilung steigern fort und fort die Unselbständigkeit der erwerbstätigen Männer und verschlechtern die Lage des Arbeiter- und des Mittelstandes, wenn auch nicht absolut, so doch im Verhältnis zu den bei dem Fortschritt der Kultur gesteigerten Lebensansprüchen. Diese Ansprüche können in vielen Fällen nur durch den Miterwerb der Familienmit­glieder befriedigt werden.

Mehrere Ursachen haben also dazu beigetragen, die Frauenarbeit zu vermehren. Dem weiblichen Geschlecht sind in neuerer Zeit immer mehr Berufe zugänglich gemacht worden, die ihnen früher verschlossen waren. Die grosse Armee derjenigen Mädchen, welchen es nicht ver­gönnt ist, eine eigene Häuslichkeit zu finden, hat immer mehr in Be­rufen Unterkunft gefunden, die ihnen zum grossen Teile eine annehm­bare Existenz sichern.

Geschmack an der ungebundenen Stellung und Genusssucht tragen dazu bei, den Mädchen die Fabrikarbeit willkommen zu machen und sie zu veranlassen, diese den hauswirtschaftlichen Erwerbsstellungen vor­zuziehen, so dass in Gegenden mit umfangreicher weiblicher Gewerbe­arbeit bisweilen die nötigen Kräfte in dem Haushalt und der Wirt­schaft mangeln.

Nicht nur ihre geringeren Lohnforderungen sowie ihre grössere Geschicklichkeit in manchen Verrichtungen, auch ihre grössere Füg­samkeit, Mässigkeit, Geduld und Ausdauer machen die Mädchen als Arbeitskräfte begehrt, die Familienmütter bisweilen sogar vorzugsweise vermöge ihrer stärkeren Gebundenheit, und weil sie des Arbeitsver­dienstes meist dringender bedürfen als die Mädchen.

Die Frauenarbeit ist für beide Geschlechter von einem schweren Nachteil gewesen: sie hat die Löhne gedrückt. Infolge der freien Konkurrenz sank nämlich der Männerlohn, und da dieser nun für den Unterhalt der Familie vielfach unzulänglich war, machte er eine Ergänzung durch den Arbeitsverdienst der weiblichen Familienglieder,