Vergleicht man bloss die Zahlen derjenigen, die über 20 Jahre zählen, so findet sich ein Überschuss von 916 937 Frauen (1885: 976 721). Nimmt man dagegen das Alter der ehemündigen Männer mit 20, jenes der ehemündigen Frauen schon mit 16 Jahren an, so ergiebt sich natürlich ein viel grösserer weiblicher Überschuss.*)

Professor Bücher in Leipzig hat eine interessante Arbeit ver­öffentlicht:Über die Verteilung der beiden Geschlechter auf der Erde. Ursprünglich glaubte man, es sei eine Art Naturgesetz, dass in allen grösseren Völkern männliche und weibliche Personen in an­nähernd gleicher Zahl vorhanden seien. Allerdings gab bereits der Vater der modernen Zahlenstatistik, der preussische Feldprediger Süssmilch, um die Mitte des 18. Jahrhunderts zu, dassetwas mehr Mädchen als Knaben zu mannbaren Jahren kommen. Er glaubte aber, dass dieser Überschuss durch zweite Heiraten von Witwern ver­sorgt werde, worin er eine besonders weise Fürsorge des Schöpfers sah, dassjede Mannsperson ebenso gut eine Frau, als jede Jungfrau einen Mann bekommen könne, und keine einzige sorgen dürfe, dass sie werde ledig sitzen bleiben. Die neuere Statistik hat nun aber nachgewiesen, dass in den hochentwickelten Kulturländern Europas ein erheblicher Überschuss an weiblichen Personen besteht, der gerade besonders scharf im schönsten Heiratsalter, in der Be­völkerungsklasse zwischen dem 20. und 30. Jahre hervortritt. Italien, Griechenland und die unteren Donauländer ausgenommen, weist das übrige Europa eine Bevölkerung von rund 300 Millionen Einwohnern auf, unter welchen die Zahl der weiblichen Personen diejenige der männlichen um etwa 4 500 000 übersteigt. Nach den Gesetzen der Statistik also sind hier in jeder Generation 4 500 000 Mädchen so­zusagen schon bei der Geburt sitzen geblieben.

In Österreich kommen durchschnittlich 1047 weibliche Personen auf 1000 männliche, in Portugal 1091, in Norwegen 1090, in Polen 1076, in England 1060. Die Unabänderlichkeit dieses überflüssigen Saldos an Evastöchtern sehen wir sogar in Kolonialländern, in denen ursprünglich infolge der überwiegend aus Männern bestehenden Ein­wanderung das Verhältnis umgekehrt lag; die am frühesten be­siedelten und jetzt am dichtesten bevölkerten Staaten der amerikanischen Union zeigen bereits starken Frauenüberschuss, so Rhode Island 1078, Massachusetts 1077 Frauen auf 1000 Männer; Canada bietet die gleiche Erscheinung.

Weisen dergestalt die Länder fast ausnahmslos ein Überwiegen des weiblichen Geschlechts auf, so tritt diese Thatsache noch in höherem Masse in den Städten auf. Und zwar lässt sich diese Er­scheinung fast in den meisten europäischen Städten nachweisen, trotz-

*) J?rof Dr. Max Haushofer. Die Ehefrage im Deutschen Reich. (Der Existenzkampf tier Frau. Berlin, Richard Tändler, 1895. S. (!9 f) Vgl. auch: E. Gnauck-Kiihne, Ur­sachen und Ziele der Frauenbewegung. Berlin, Richard Lesser, 1898.