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Enverbsthätigkeit in seiner ganzen Folgenschwere vor unseren Augen. Es ist die altbekannte Thatsache, die nur durch die neuste Statistik wieder einmal bekräftigt wird: Immer mehr Frauen sind bei den heutigen wirtschaftlichen Verhältnissen gezwungen, den Konkurrenz­kampf in der Arbeit mit dem Manne aufzunehmen.

Wir haben bereits auf das Verhängnisvolle dieser Entwicklung hingewiesen. Die Konkurrenz der Frauenarbeit drückt die Löhne der Männer herunter, und die niedrigen Löhne der Männer zwingen hin­wiederum die Frauen zur Teilnahme am Erwerbsleben. Am deut­lichsten wird dieser Kreislauf bereits bei der Landwirtschaft be­merkbar. Dieser Erwerbszweig absorbirt die meisten erwerbstätigen Frauen: von je 1000 schon 523. Heute schon ist y 3 aller erwerbs­tätigen Frauen landwirtschaftlich tätig! Und seit 1882 hat sich ihre Zahl um 8,61 Prozent vermehrt, während die männlichen Er­werbstätigen während dieser Zeit im selben Beruf um 2,84 Prozent zurückgegangen sind. Noch haben wir eine aufsteigende blühende Industrie, die weniger als die Landwirtschaft schlechtgelohnte Frauen­arbeit der männlichen vorzieht. Sie beschäftigte von je 1000 Frauen nur 288,9, d. h. nur 18,37 Prozent aller Erwerbstätigen weiblichen Geschlechts. Wird aber die industrielle Entwicklung einmal nicht so günstig sein wie bisher, so wird zweifellos auch hier die weibliche Erwerbsthätigkeit zum Schaden des männlichen Geschlechts steigen. Welch verhängnisvolle Folgen diese ganze Entwicklung für die Volksgesundheit, die Jugenderziehung, das Familienleben mit sich bringt, bedarf keiner besonderen Schilderung.

Den Frauen stehen bei uns im grossen und ganzen die schlechter bezahlten praktischen Berufe offen, während die einträglicheren und die meisten geistigen bisher ausschliesslich den Männern Vorbehalten waren. Diese Berufsteilung ist indes durchaus willkürlich und unge­recht, und gegen diese bedenkliche Erwerbseinschränkung richtet sich vornehmlich die heutige Frauenbewegung. Sie ist zu diesem Vorgehen um so dringender gezwungen, als die Männerthätigkeit neuerdings immer rücksichtsloser in die ehemaligen ausschliesslichen Arbeitsgebiete der Frauen hinübergreift. Bei den rohen Naturvölkern war noch eine vollkommene Berufsteilung zwischen Mann und Frau durchgeführt: Der Mann besorgte die Jagd und den Fischfang, die Frau den Haus­halt und die Küche. Bei dem zivilisirteren Ackerbauvolke arbeitete der Mann gleichfalls nur ausserhalb des Hauses, im Stalle, auf dem Felde u. s. w.; die Frau dagegen begann bereits neben ihrer Hauswirt­schaft draussen im landwirtschaftlichen Betriebe, beim Ernten, Dreschen u. dergl. sich mit zu bethätigen.

Bei dem modernen verfeinerten Industrievolk hat nun der Er­findungsgeist des Mannes nach und nach die häusliche Frauenarbeit erheblich eingeschränkt, zum Teil sogar schon gänzlich aufgehoben: an Stelle der Verarbeitung selbstgewonnener Rohprodukte durch