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Schlachten, Brauen, Spinnen, Wehen, Flechten, Seifenkochen u. dergl. ist in allen Kulturländern die fabrikmässige Herstellung von Fleisch­konserven , Backwaren, Getränken, Kleidern, Beleuchtungsgegen­ständen u. s. w. getreten. Je gewaltsamer aber der moderne Gross­betrieb und das darauf beruhende neue Prinzip der Arbeitsteilung, das auf billige Erzeugung von Massenartikeln berechnet ist, die Frau aus ihrem ureigensten Schaffensgebiet, dem Verarbeiten der Naturalprodukte im Hause, verdrängten, um so notwendiger war sie darauf angewiesen, ausser dem Hause Ersatz zu suchen. Und sie fand ihn, indem sie ihrerseits allmählich in solche Berufszweige eindrang, die vordem aus­schliesslich als Domäne der Männer galten. Dank ihrer grösseren Ausdauer und Geduld, ihrer grösseren Geschicklichkeit und Finger­fertigkeit, ihrer grösseren Pünktlichkeit, und Pflichttreue, vor allem aber dank ihrer grösseren Anspruchslosigkeit gelang es ihr, in den mechanischen Betrieben der modernen Industrie erfolgreich mit dem Manne zu konkurriren und einen technischen und gewerblichen Berufs­zweig nach dem andern zu gewinnen.

Die Frau wurde bisher nur in jene Arbeitsverrichtungen gedrängt, welche geringer entlohnt sind, und ihr Arbeitsprodukt wird geringer entlohnt, weil es das einer Frau ist. Zur Erklärung dieser Thatsache reicht die Annahme einer geringeren Leistungsfähigkeit der Frau nicht aus, da nicht nur Beispiele dafür angeführt werden können, dass auch bei gleicher Leistung den Frauen nicht derselbe Lohn zukommt, wie den Männern, sondern auch unerklärt bleibt, warum die Produkte ausschliesslich weiblicher Arbeit immer einen geringen, den Lebens­unterhalt der Arbeiterin niederdrückenden Preis haben. Eine andere Erklärung betont den Umstand, dass die weiblichen Arbeiter ausser ihrem Lohneinkommen noch Unterstützung von anderer Seite erhalten, in der Familie, vom Manne, vom Liebhaber, so dass sie mit geringerem Lohn ihr Auskommen finden können. In der That werden wir die Annahme nicht ablehnen können, dass das Herkommen darauf hin­gewirkt hat, nicht etwa den Lohn des Mannes so hoch zu stellen, dass er eine Familie davon erhalten könne, sondern darauf, den Lohn der Frau niedrig zu halten, weil sie in der Familie lebt. Aber dieses Herkommen ist, wie so manches andre, durch die Thatsachen über­holt, weil die wachsende Selbständigkeit der Frau auch in wirtschaft­licher Beziehung den Einzelhaushalt der Frau, sei es des Mädchens oder der Witwe, immer häufiger werden lässt. Die entscheidenden Punkte sind die grössere Bedürfnislosigkeit der Frau und ihre grössere Schwäche gegenüber preis- und lohndrückenden Einwirkungen.Der Bestand der Familie und der Beruf der Frau in ihr, das System der Erziehung mit seiner augenfälligen Bevorzugung der Bedürfnisse der Männer, die Herrschaft des Mannes in allen öffentlichen Angelegen­heiten, die überlieferte Vorstellung von den Pflichten und Rechten der