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Männer und Frauen, das alles, sagt Eugen von Philippovich*), erzielt Wirkungen, welche sich im einzelnen Falle darin äussern, dass die Frauen ihre Forderungen auch da nicht mit dem gleichen Nachdruck verfolgen können wie die Männer, wo sie diesen grundsätzlich gleich­gestellt sind. Koalitionen der Frauen zum Zwecke der Lohnver­besserung, eine Intervention öffentlicher Gewalten zu ihren Gunsten, die Verstärkung ihrer Forderung durch die öffentliche Meinung Dinge, die wir bei den männlichen Arbeitern oft verfolgen können sind bei den Arbeiterinnen selten. Und darum machen sich die besonderen Momente, welche nachteilig auf die Lohnbildung der weib­lichen Arbeiter einwirken, mit so grosser Wucht und in so grosser Allgemeinheit geltend. Die niedrigen Frauenlöhne werden dadurch zu einem Spiegelbild der geringeren sozialen Stellung, welche die Frau ein nimmt.

Mit welchen Schwierigkeiten die erwerbenden Frauen zu kämpfen haben, kann nur jemand ermessen, der einen Einblick in die sozialen Verhältnisse gethan hat. Besonders sind es zwei Faktoren, welche der erwerbenden Frau den Kampf ums Dasein erschweren. Es ist dies der Mangel an beruflicher Ausbildung der Frau und das Vorurteil, welches man noch so vielfach verbreitet findet, dass die Berufsarbeit die Frau auf eine sozial niedrigere Stufe stellt. Beides geht Hand in Hand. Eltern, welche in der Berufsarbeit etwas Minderwertiges sehen, versäumen es, ihren Töchtern eine gute, rationelle Ausbildung geben zu lassen. In allen Ständen leiden die jungen Mädchen unter diesem Mangel an Einsicht ihrer Eltern; in den ärmeren Klassen entspringt dieser Mangel an Einsicht häufig der Sparsamkeit, in den höheren aber dem Vorurteil, dass die Berufsarbeit nicht standesgemäss sei und ein Ehehindernis bilden könnte.

Die schönsten Jahre vergeuden die jungen Mädchen mit dem Warten auf den Mann. Selbst die beruflich thätigen nehmen es oft nicht recht ernst mit ihrem Beruf, sie haben nicht das nötige Streben und die konsequente Energie, deren es bedarf, um etwas Tüchtiges leisten zu können, denn sie sehen in ihrer beruflichen Aibeit nur die Ausfüllung der Übergangsperiode bis zur Ehe. Noch bedauer­licher aber ist es, wenn junge Mädchen sich ihrer Arbeit schämen und versichern, dass sie ,,es nicht nötig haben, dass ,,sie es nur zum Ver­gnügen thun.

Um diese Vorurteile und diesen Dilettantismus zu bekämpfen, haben sich in neuerer Zeit Bestrebungen geltend gemacht, deren Ziel es ist, in den Gemütern der Frauen das Bewusstsein von dem Adel der Arbeit gross zu ziehen und ein starkes Band des Solidaritäts­gefühls um alle arbeitenden Frauen zu schlingen. In diesem

*) Frauenlöhne. Dokumente der Frauen. AVien 1899. I. S. 31.