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Fortbildungsschule für Mädchen in Krefeld von der Handelskammer ins Leben gerufen werden*).

Der Zustrom weiblicher Kräfte in den Handelsstand ist ein so grosser, dass, wenn der Fortbildungsschulzwang nur für das männliche Geschlecht allein ausgesprochen würde, dieses ohne eingreifenden Nutzen bleiben müsste. Fortbildungsschulzwang für Knaben allein würde zweifellos zu einer vermehrten Anstellung von weiblichen Lehrlingen führen. Aus dieser ungleichen Behandlung der Geschlechter würde eine für die männlichen Gehilfen höchst unliebsame Konkurrenz ent­stehen, und eine solche Einseitigkeit wäre thatsächlich nicht eine Be­vorzugung, sondern in ihrer Folgewirkung eine Benachteiligung der männlichen Handlungsgehilfen. Der Fortbildungsschulzwang schliesst gewissermassen die Lehrlingseigenschaft in sich, und es ist kein Zweifel, dass, wenn dieser Zwang ausgesprochen wird, wenn also die mit nicht geeigneter Berufs- und Fachbildung versehenen jungen Mädchen im Alter bis zu 18 Jahren als Lehrlinge betrachtet werden, was heute bei der l / i jährigen bis einjährigen Lehrzeit nicht der Fall ist, die un­fähigen und ungeeigneten Elemente von selbst von der Ergreifung dieses Berufes allmählich zurückstehen werden. Zahlreiche junge Mädchen widmen sich dem kaufmännischen Beruf, ebenso wie junge Männer nur deswegen, weil sie ihn als vornehmer, leichter und freier betrachten als andere Berufe. Wenn sie aber sehen werden, welche ernste Arbeit von ihnen gefordert wird, welcher Zucht sie unterworfen sind, dann werden sie sich überlegen, ob sie sich diesem Berufe zuwenden.

Über die Notwendigkeit der Fortbildungsschulpflicht für die männliche Jugend herrscht allgemeines Einverständnis. Das Handels-

*) Die Aufgabe dieser Schule, welche als Mädchenabteiluug an die seit 12 Jahren mit grossem Erfolg arbeitende Kaufmannsschule ange­gliedert werden soll, wird folgende sein: sie wird 1. jungen Mädchen, welche eine Volksschule, mittlere Bürgerschule oder eine Anzahl von Klassen einer höheren Schule absolvirt haben und später im Geschäft ihrer Eltern oder ihres Mannes thätig sein oder sich ein eigenes Geschäft kleineren Umfangs gründen oder in ein fremdes Geschäft als Handlungsgehilfin ein- treten wollen, Gelegenheit geben, sich eine hierzu geeignete Vorbildung zu verschaffen, und 2. jungen Mädchen, welche bereits in kaufmännischen Geschäften irgend welcher Art angestellt sind, eine geeignete fachliche Fortbildung vermitteln. Als Schülerinnen werden junge Mädchen auf­genommen, die das 14. Lebensjahr erreicht und mindestens eine Volks­schule mit gutem Erfolg durchgemacht haben. Der Lehrplan, der auf einen 2jährigen Kursus eingerichtet ist, umfasst Schönschreiben, Deutsch, Handelskorrespondenz, kaufmännisches Rechnen, Buchführung, Wechsel­lehre, Französisch, Maschinenschreiben und Stenographie. Der Unterricht soll am Tage, voraussichtlich am Nachmittage, erteilt werden. Mit Rück­sicht auf diejenigen Mädchen, welche bereits in Geschäften thätig sind, wird eine Zeit gewählt werden, zu der sie am besten abkömmlich sind.

Die Leitung der Schule ist dem Direktor der Kaufmannsschule K. Schumacher übertragen.