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gesetzbuch macht aber keinen Unterschied zwischen den beiden Ge­schlechtern. Es gibt beiden gleiche Rechte und legt ihnen gleiche Verpflichtungen auf. Nimmt der Kaufmann eine weibliche Angestellte in sein Geschäft auf, so liegt es ihm ob, den weiblichen Gehilfen ebenso zu behandeln wie die männlichen Kollegen, d. h. nicht bloss als bezahlte Arbeiterin, sondern als Mitarbeiterin, die an dem Ge­deihen des Geschäftes, an dem Gelingen jeder Unternehmung innerlich interessirt ist. Der Geschäftsverkehr wird immer verwickelter, und es ist unmöglich, sich allein durch die Praxis die nötigen Kenntnisse anzueignen. Der theoretische Unterricht muss hinzukommen.

Es ist daher schon vielfach der Wunsch ausgesprochen worden, die deutschen Bundesstaaten mögen dahin wirken, dass durch Landes­gesetz der Fortbildungsschulzwang für weibliche, sowie für männliche kaufmännisch Angestellte bis zum 18. Jahre mit der Massgabe ein­geführt werde, dass der Unterricht am Tage und während mindestens 6 Wochenstunden stattfinde.

Die kaufmännischen Vereine für weibliche Angestellte zu Augs­burg, Barmen, Berlin, Breslau, Elberfeld, Frankfurt, Kassel, Köln, Königsberg, Leipzig und München haben an die gesetzgebenden Körperschaften folgende Eingabe gerichtet:

Die Durchschnittsbildung der Handlungsgehilfen und Gehilfinnen in Deutschland entspricht nicht den Anforderungen unserer Zeit, die Stellenvermittlung aller kaufmännischen Vereine weist einen Mangel an gut .vorgebildeten, selbständig arbeitenden Bewerbern, einen Überfluss mangelhaft ausgebildeter Stellensuchender auf. Solche halbgebildeten Elemente schädigen den ganzen Stand. Da sie zu jeder Bedingung Arbeit annehmen müssen, so drücken sie die Löhne allmählich herab.

Der zur Abhilfe dieses Übelstandes vor »zwei Jahren gegründete Deutsche Verband für kaufmännisches Unterrichtswesen hat die Ein­richtung von Handelshochschulen und Handelsschulen angeregt. Als wichtigstes Mittel jedoch zur Hebung der kaufmännischen Bildung be­zeichnet der Verband die kaufmännische Fortbildungsschule.

Der grössere Teil der Gehilfen und Gehilfinnen tritt direkt von der Volksschule in den Beruf ein. Es ist durchaus anzustreben, dass diese Elemente in der für die geistige und sittliche Entwicklung so wichtigen Zeit bis zum vollendeten 17. Jahre dem erziehlichen und bildenden Ein­fluss der Schule zugänglich bleiben; dass sie neben der praktischen Lehre eine theoretische Fortbildung erhalten. Da, wo keine staatlichen oder städtischen Fortbildungsschulen bestehen, haben fast alle kaufmännischen Vereine, sowohl die Vereinigungen männlicher als die weiblicher An­gestellter Schulen zu diesem Zwecke gegründet. Diese sind jedoch wenig besucht.

Nur da, wo Fortbildungsschulzwang besteht, sind sie zu einer ge­wissen Blüte gelangt, auch deswegen, weil dort die Möglichkeit gegeben ist, den Unterricht in die Tagesstunden zu verlegen. Es hat sich gezeigt, dass der Abendunterricht in Bezug auf die geistige Förderung mangelhafte Resultate liefert und in Rücksicht auf die körperliche Entwicklung ent­schieden zu verwerfen ist.

Es bedarf eines Zwanges für die jungen Gehilfen, die nicht ein- sehen, dass sie sich durch Erweiterung und Befestigung ihrer Kenntnisse