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mädchen müssen natürlich auch die niedrigsten Arbeiten verrichten, und nur wenn sie sehr strebsam sind, können sie sich weiter aus­bilden.

Der zweite Weg besteht in der schulgemässen Ausbildung einer Volksschülerin, sowie auch von jugendlichen Töchterschülerinnen, in Fortbildungs- und Handelsschulen. Die Kosten belaufen sich auf un­gefähr 100 M. im Jahr für solche Schülerinnen, deren Eltern im Orte der Anstalt wohnen. Auswärtige Schülerinnen haben die Kosten für Wohnung und Kost für wenigstens ein Jahr hinzuzurechnen.

Den dritten und kürzesten Weg schlagen diejenigen ein, welche mit gründlicher allgemeiner Bildung (höhere Töchterschule oder gleich­wertiger Bildung) ausgestattet, den Beruf nicht zu jung ergreifen, durch Aneignung der rein kaufmännischen Kenntnisse in einem kauf­männischen Unterrichtsinstitute. Zeit: 34 Monate bei grossem Fleiss. Kosten: 200300 M. einschliesslich der Ausgaben für Kost und Wohnung in einer fremden Stadt.*)

Eine Kontoristin muss vollständig beherrschen: Schönschreiben, kaufmännisches Rechnen, Grammatik und Rechtschreibung der deutschen Sprache, Fähigkeit, sich leicht und gewandt auszudrücken; kaufmännische Korrespondenz, Wechsellehre und was damit zu­sammenhängt, sodann einfache und doppelte Buchführung, Steno­graphie und die Behandlung der Schreibmaschine. Die Kenntnis einer oder mehrerer fremder Sprachen wird zwar nicht immer verlangt, ist aber von wesentlichem Einfluss auf die Bezahlung, sowie auf den Grad der Stellung.

Das Anfangsgehalt nach der Lehrzeit ist durchschnittlich 43 M. Die von Privatlehrern ausgebildeten Mädchen erhalten am w T enigsten, nur 37 M.; das höchste Gehalt findet sich bei den Schülerinnen der Vorbereitungs- und Handelsschulen, durchschnittlich 49 M. Diese rücken auch am schnellsten im Gehalt auf; der durchschnittliche spätere Gehalt beträgt 78 M. monatlich, steigt im Laufe der Zeit auf 150 M., in manchen Stellungen aber noch viel höher, so in der Konfektions-, Weisswaren- und Nähmaschinenbranche.

Bei der Massenausbildung solcher weiblichen Hilfskräfte haben nur die besten (die möglichst auch noch gute Sprachkenntnisse be­sitzen) Aussicht auf einigermassen gute Stellen. In den Gressstädten und namentlich in Berlin muss sich die weibliche Arbeitskraft dieser Art in der Regel mit geringem Gehalt begnügen, weil einmal das Angebot sehr stark ist und dann, weil viele junge Damen, die in der Häuslichkeit keine Beschäftigung finden, sie im Bureau suchen und sich mit geringen Gehältern begnügen können, die, da sie bei den Eltern wohnen, nur die wirtschaftliche Bedeutung von Taschengeld haben.

*) Jenny Schwabe, Die Kontoristin. Leipzig 1899. S. 31. Kellen, Die Frauen im Handel und Gewerbe

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