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grüssen ist es nun, dass man jetzt einen Versuch macht, um hinter andern Ländern und Bundesstaaten nicht mehr zurückzustehen. Was die Wahl M.-Gladbachs neben Berlin angeht, so ist sie aus dem Grunde erfolgt, weil dort verhältnismässig am meisten Arbeiterinnen beschäftigt sind. Es handelt sich natürlich vorläufig nur um einen Versuch; dass derselbe den dringend wünschenswerten Erfolg haben wird, hängt von dem Entgegenkommen der Unternehmer, vor allem aber auch der Arbeiterinnen ab. Hier ergiebt sich für die Arbeiter­innenvereine die wichtige Aufgabe, ihre Mitglieder auf die Bedeutung der Einrichtung hinzu weisen und die Vertrauensstellung der Gewerbe­aufsichtsbeamtin bei den Arbeiterinnen zu befestigen. An Gründen hierfür fehlt es ja nicht. Einmal ist da zu nennen das grössere Verständnis der Frau für die Bedürfnisse des eigenen Geschlechts sowie der Kinder und die damit verbundene Erleichterung, beider Vertrauen zu gewinnen. Ferner kommt in Betracht die Rücksicht auf das Schamgefühl in Angelegenheiten der Gesundheit und des An­standes. Die Verschiedenheit des Geschlechts hält erfahrungsgemäss die Arbeiterinnen meist ab, ihre Klagen in solchen Fragen dem Gewerbeinspektor mitzuteilen. Wichtig sind auch Anlage und Aus­bildung der Frau, die sie zur Behandlung zahlreicher Einzelheiten einer vorgeschrittenen Gesetzgebung vorzüglich geeignet macht, sowie der allgemein sittliche Einfluss, den die Inspektorin auszuüben im Stande sein wird. Im letztjährigen Bericht der hessischen Gewerbe­inspektoren z. B. wird der weiblichen Inspektion warme Anerkennung gezollt. Schon jetzt lasse sich feststellen, dass weibliche Beamte besser als männliche sich dazu eigneten, die sittliche Stellung der Arbeiterinnen zu den Arbeitgebern und zu den Arbeitern, Aufsehern u. s. w. zu be­obachten und die Überwachung der Bestimmungen der die weiblichen Arbeiter betreffenden Teile der Gewerbeordnung, namentlich die Be­stimmung über die Beschäftigung der Wöchnerinnen zu übernehmen. Auch erscheine die Beobachtung der Lohn-, Wohnungs- und Er­nährungsverhältnisse der Arbeiterinnen, sowie der aus der Fabrikthätigkeit der weiblichen Familienmitglieder entspringenden häuslichen Verhält­nisse durch weibliche Beamte geboten. Wenn man bisher hier und da mit den Erfolgen der weiblichen Gewerbeaufsichtsbeamten unzufrieden gewesen ist, so liegt das jedenfalls nicht an der Einrichtung selbst, sondern an der Wahl der betreffenden Persönlichkeiten. An geeigneten Kräften kann es jedoch nicht fehlen, zumal bereits Kurse für die Ausbildung von Fabrikinspektorinnen, u. a. in Berlin stattgefunden haben.

Die auf Grund des Reichstagsbeschlusses vom 22. Januar 1898 veranstalteten Erhebungen über die Fabrikarbeit verheirateter Frauen scheinen im Reichsamt des Innern zu Erwägungen zu führen, wie die Arbeiterschutzgesetzgebung zur Verstärkung des Schutzes der in den Fabriken beschäftigten Ehefrauen weiter ausgebaut werden