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dasselbe praktisch zu verwerten, stets eingedenk des herrlichen Aus­spruches:Je höher die Kultur, desto ehrenvoller die Arbeit.

Schneiderinnen wurden 1895 180 227 gezählt, davon 169 2G3 im Hauptberuf. Die Massschneiderei verteilt sich natürlich über das ganze Reich und blüht am meisten in grossen und reichen Gemein­wesen wie Berlin, Frankfurt a. M., Köln u. s. w.

Die Arbeitszeit in den Privathäusern dauert von 8 bezw. 9 oder 10 Uhr Morgens bis 8 Uhr Abends. Die Arbeitszeit der grösseren Massschneidereien pflegt durchgänglich eine zehnstündige ausschliess­lich der Pausen zu sein, in der Saison dehnt sie sich nach Bedarf bis zu 18 Stunden und mehr aus, ohne dass dafür allemal eine ent­sprechende Mehrvergütung gewährt wird.

Die Bezahlung erfolgt zumeist in Tagelohn, bei Privaten 2 bis 5 M., in Ateliers Direktricen jährlich 2000 4000 M. Erste Taillen­arbeiterinnen erhalten 33,50 M., erste Rockarbeiterinnen 23,50 M., Hilfsarbeiterinnen und jugendliche Arbeiterinnen von 0,50 und 0,75 M. bis 1,80 M. pro Tag.

Es ist für eine Schneiderin mit Geschmack, Fleiss und guter Arbeit nicht schwer, sich bald selbständig zu machen. Die Kosten dazu sind nicht gross, die Arbeitsstätte kann im eigenen Stübchen Platz finden, eine Nähmaschine, ein Büstenmodell und eine gute Moden­zeitung sind die hauptsächlichsten Requisiten; arbeitet man gut und im Anfang billig, so kann man bestimmt auf Weiterempfehlung rechnen, und gelingt es, Chik mit sorgfältiger Arbeit zu verbinden, so kann das Geschäft einen grossen Aufschwung nehmen.

Das Putz machen ist nebst der Schneiderei eine der den Frauen eigensten Arbeiten. Die Arbeit einer Modistin ist nicht schwer, er­fordert aber Geschmack, und wenn sie für Damen der besseren Gesellschaft ausgeübt werden soll, entschieden einen feinen Blick und eine leichte Hand. Die jungen Mädchen, welche das Putzfach er­lernen wollen, thun gut daran, in ein grosses Geschäft zu gehen, wo recht viele verschiedene Artikel durch ihre Hand gehen, und wo sie reichlich Übung erhalten sowohl in den Vorarbeiten, als auch im Aufstecken, Garniren u. s. w. Es ist am richtigsten, Ende Oktober in eine solche Lehrstellung einzutreten und 6 bis 7 Monate darin zu verbleiben, damit man die Winter-, die Halbsaison-, die Frühjahrs- und die Sommermoden arbeiten lernt. Daneben kommen dann für den Winter noch Coiffuren und kleine Aufsätze und in weniger beschäf­tigten Zeiten auch Haus- und Morgenhäubchen vor, was eine Haus­putzmacherin alles verstehen muss, einzurichten und fertigzustellen. Das Lehrgeld wechselt zwischen 30 und 60 M., ebenso wie die Lehr­zeit zwischen drei und sieben Monaten schwankt. In manchen Putz­geschäften erfolgt die Ausbildung unentgeltlich.

Die Ausbildung zur Modistin ist also eine billige und leichte; in jeder Frauengewerbeschule werden Kurse im Putzmachen für ein