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der Stadt Posen z. B. erhalten die Näherinnen in der Damenkonfektion, nachdem sie ein Jahr lang gelernt und in dieser Zeit keinen Pfennig verdient, 6 bis 10 M. monatlich als Anfangsgehalt. Der höchste monatliche Lohn einer solchen Schneiderin beträgt 30 M.; sie erhält ihn aber erst, wenn sie etwa zehn Jahre lang in einer Schneider­werkstatt thätig ist. Die Maschinennäherin bringt es auch bis 30 M. pro Monat. Was es heisst, sich seinen Lebensunterhalt als Maschinen­näherin zu verdienen, das wissen am besten die Frauenärzte; denn jedes dieser armen Geschöpfe wird früher oder später unterleibskrank. Die Maschinennäherinnen, sowie die Rock- oder Taillennäherinnen arbeiten fast ausnahmslos noch zu Hause, d. h. sie haben Privat­kundinnen und opfern nach der Tagesarbeit noch halbe Nächte, um mehr zu verdienen. Die Wäschenäherinnen werden noch schlechter bezahlt. Diese nähen nicht in Werkstätten, sondern im eigenen Hause für Inhaber von Wäschegeschäften. Sie erhalten für das Dutzend einfacher Damenhemden 2 M., für elegante Hemden 3 M., für ein Dutzend Beinkleider 2,50 M., für ein Dutzend Nachtjacken 2,50 bis 4 M. Diese Weissnäherinnen es sind unter ihnen viele Frauen, die zum Unterhalt ihrer Familie beisteuern müssen, oder auch Witwen können in einem Tage bei angestrengter Arbeit nicht mehr als fünf Hemden fertigstellen. Sie verdienen also im günstigsten Falle pro Tag 1,25 M., müssen aber von diesem Gelde auch noch den Zwirn bestreiten, den sie zur Arbeit gebrauchen.

Die Näherinnen in der Herrenkonfektion, soweit sie auf Lager arbeiten, erhalten gleichfalls Minimallöhne. In Posen ist die Branche der Arbeiterbekleidung (sogen. Arbeiterkonfektion) sehr entwickelt. Für ein Arbeiterbeinkleid wird 15 25 Pfg. gezahlt, für eine solche Weste 1015 Pfg., für bessere Ware wird für das Stück 50 Pfg. gezahlt. Diehöchsten Löhne werden in der Schuhwarenbranche er­zielt. Die Sohlenkleberinnen erhalten die Woche bis zu 8,50 M., die Stepperinnen bis 10 M. die Woche bei zehnstündiger täglicher Arbeitszeit, also für die Stunde 15 Pfg. Es sind dies aber, wie ge­sagt. die Maximallöhne.

Die Saison Verhältnisse in der Berliner Konfektion sind folgende: In der Herren- und Knabenkonfektion ist ungefähr 3 Monate im Jahre wenig oder nichts zu thun. In der Damenkonfektion sind die Arbeiter sogar nur 6 bis 7 Monate voll beschäftigt; während 3 bis 4 Monaten gewährt die Arbeit einen unzureichenden Verdienst, und während 2 bis 3 Monaten ist überhaupt keine Arbeit zu haben.

Über die hausindustriellen Arbeiterinnen in der Berliner Blusen-, Unterrock-, Schürzen- und Trikotkonfektion hat Gertrud Dyhrenfurth eine Studie veröffentlicht*). Unterstützt von einigen

*) Leipzig, Duncker & Humblot, 1898. (Schmollers Staats- und sozialwissenschaftliche Forschungen, Bd. XV, Heft 4.)