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guter; er wird selbst für eine mittelmässige Arbeiterin bei zehn­stündiger Tagesarbeitszeit auf 1820 M. wöchentlich angegeben.*)

b) Das Häkeln bietet nur einen sehr geringen Erwerb.

c) Das Sticken ist von jeher von den Frauen geübt w T orden. Sobald die Menschen gelernt hatten, den gesponnenen Faden zu einem Gewebe zu verarbeiten, machte sich das Bedürfnis geltend, die Ein­förmigkeit einer gewebten Fläche zu verzieren. Es währte aber sehr lange, bis man die Fertigkeit erlangte, irgend eine Zeichnung in den Stoff hinein zu weben. Man behalf sich daher durch kunstvolle Stickerei, das Gewebe zu beleben. Hierzu war ja nur ein einziges Werkzeug nötig, das sich bereits für die vorgeschichtliche Zeit nachweisen lässt: die Nadel. Das Sticken gehört also zu den ältesten Handarbeiten, und schon frühe haben es die Frauen darin zu einer so grossen Vollendung gebracht, dass altgriechische und römische Schriftsteller die Stickerei alsNadelmalerei kennzeichneten. Plinius bezeichnet die Phrygier als die Erfinder dieser Kunst; jedenfalls ist sie zu den Römern aus Kleinasien gekommen. Welchen Aufschwung die Kunst schon im frühesten Mittelalter genommen, zeigen uns noch jetzt zahl­reich erhaltene Prachtgewänder und Teppiche. Die Mutter Karls des Grossen und ebenso seine Töchter waren als Stickerinnen berühmt, auch von andern Fürstinnen ist es bekannt, dass sie grosse Künst­lerinnen mit der Nadel waren. Nicht nur Frauen, auch Mönche be- fleissigten sich der Stickerei, und die in englischen Klöstern oder von englischen oder schottischen Mönchen in Deutschland und anderwärts angefertigten Stickereien standen weit und breit in hohem Ansehen. Später waren dieburgundischen Gewänder das schönste, w T as sich mit der Nadel herstellen liess, ja, die Stickereien waren so künstlerisch geworden, dass sie den Malereien ihrer Zeit ebenbürtig wurden. In den Niederlanden und in Deutschland, namentlich in Köln, sowie in Frankreich gelangte die Zunft der Sticker (Bild- und Wappensticker) im 16. Jahrhundert zur höchsten Blüte, wenn auch damals die Relief­stickerei bis zur Übertreibung entwickelt wurde. Es sollte also nicht nur die Malerei, sondern auch die Plastik mit der Nadel nachgeahmt werden. Das war entschieden eine Verirrung. Die Stickerei soll stets der Unterlage angepasst sein, auf welcher sie hergestellt wird. Ein durch quadratische Kreuzung der Fäden hergestellter Stoff führt zur Anwendung des Kreuzstichs. Ist das Gewebe enger und dichter, dann ergiebt sich der Plattstich ganz von selbst. Will man sich nicht der Mühe unterziehen, grosse Flächen mit kleinen Stichen aus­zufüllen, kann man ein Stück Zeug in der jeweilig gewünschten Form und Farbe ausschneiden und aufnähen; dies nennt man Applikations­stickerei. Das Unterlegen solcher Zeugstücke führt dann zur Relief­stickerei. Sehr verwendbar ist auch der Kettenstich. Auf diese an

*) Dokumente der Frauen. 2. Band. S. 419.