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hat. Mit der Applikation lassen sich in verhältnismässig kurzer Zeit grosse Flächen schmücken; sie wird mithin für Fenster- und Thürbehänge, Decken und Wandschirme vorteilhaft zu verwenden sein.
In Berlin sind mehrere Institute und Privatpersonen ansässig, welche die Ausbildung junger Mädchen im Sticken übernehmen. Durchschnittlich dauert der Kursus — bei zweimal je drei Stunden wöchentlich — etwa acht Monate, und das Honorar ist hierfür auf sechs M. monatlich festgesetzt. Das Kunstgewerbe-Museum in Berlin hat eine Fachschule für Stickerei (3jähriger Kursus). Auch der Letteverein in Berlin hat eine Kunststickereischule, ebenso der Frauenerwerbsverein in Dresden. Geprüfte Handarbeitslehrerinnen übernehmen übrigens z. B. in Berlin ebenfalls die Ausbildung, selbst unentgeltlich, falls sich die jungen Mädchen verpflichten, eine gewisse Zeit für sie unentgeltlich zu arbeiten.
Die Besoldung für gewöhnliche Stick-Arbeiten ist verhältnismässig sehr gering. Der Verdienst einer ausgebildeten Arbeiterin in diesem Zweige stellt sich auf monatlich 30—50 M. (anfänglich auf 20 M.'), und nur sehr geübte Stickerinnen können es zu einem monatlichen Einkommen von 75 Mark bringen.
In den „Dokumenten der Frauen“*) werden sogar noch niedrigere Löhne angegeben: Handstickerinnen in der Knebelstickerei können 20—25M., Maschinenstickerinnen mit der allerdings viel anstrengenderen Arbeit 30—36 M. verdienen. Dagegen ist der Verdienst in der Kunststickerei trotz der hohen Anforderungen an Arbeitsgeschicklichkeit und Geschmack ein äusserst bescheidener. Er schwankt zwischen 12 und 20 M. Die Arbeitszeit der Heimarbeiterin schwankt zwischen 12 und 16 Stunden, eine gerade für diese Arbeit unerhörte, die Augen auf Lebenszeit bedrohende Dauer. — Aus Posen wird berichtet: Mit am schlechtesten entlohnt werden die Stickerinnen, namentlich diejenigen, die Wäsche zeichnen. Für das Sticken von 24 Buchstaben erhalten diese jungen Mädchen 50 Pfg., für ein Dutzend Monogramme 1 M. u. s. w. Um nur das Allernotwendigste zu verdienen, müssen diese armen Wesen vom frühen Morgen bis zum späten Abend über den Stickrahmen gebeugt sitzen. Ende der zwanziger Jahre sind aber auch die meisten schon schwachsichtig, und in den dreissiger Jahren können sie ohne Brille nichts mehr arbeiten. Dann giebt es im Posenschen eine grosse Anzahl von Weiss- und Buntstickerinnen, die für Berliner Geschäfte arbeiten. Die Weissstickerinnen sticken Sättel für Damenhemden und languettiren dieselben. Sie verdienen bei angestrengter Tagesarbeit bis 30 Pfg. den Tag; die Buntstickerinnen fertigen meist Pantoffeln in Kreuzstich an, dann aber auch Kissen, Tischläufer u. s. w. Sie verdienen, wenn sie recht fleissig und geschickt sind, 40—50 Pfg. den Tag.
*) 2. Band, S. 420.
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