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grätzer Strasse 90, zu erfolgen. Dort wird Auskunft erteilt, zu welchem Termin die Schülerin in die Kunstwebschule eintreten kann. Die Ferien richten sich nach denen des Lette-Yereins.

Weitere Anstalten sind:

Städtische höhere Webeschule in Berlin 0., Markusstr. 49. (Kursus 2 Jahre.)

Königl. höhere Webeschule zu Sorau (Lausitz); Unterricht 3 Jahre.

2 . Das Kunstgewerfoe

Das Gebiet der Kunst stand der Frau zu allen Zeiten offen, aber wenn man von einzelnen Künstlerinnen in früherer Zeit absieht, so hat die Frauenwelt erst in den letzten Jahrzehnten eine grössere Hinneigung zur bildenden Kunst gezeigt. Weibliche Kunstschulen wurden gegründet und der Besuch der Kunst-Akademie den Frauen durch besonders eingerichtete Kurse ermöglicht.

Dass die Frauen auch dem Kunstgewerbe ihr Interesse zuwenden, zeigen jährliche Ausstellungen wie z. B. die Weihnachtsmesse des Vereins Berliner Künstlerinnen. Die daselbst ausgestellten, mit künst­lerischem Geschmack verzirten Möbel und Ausstattungsgegenstände in Holz, Glas und Metall, die malerisch ausgestatteten Fächer u. s. w. zeigen, dass die emsig schaffenden Frauenhände Pinsel, Brennstift und Schnittmesser mit Sicherheit zu handhaben wissen. Vielfach ist auch die Holzschneidekunst, sowie das Graviren und Ciseliren mit Erfolg von Frauen betrieben worden. In der Kunst des Gravirens hat sich z. B. die schwedische Münz- und Medaillenstempelschneiderin Lea Ahlborn zu Stockholm einen Namen gemacht. Als Tochter des Münz-Graveurs Pettersen Lundgren lernte sie unter Leitung ihres Vaters das Graviren, verschaffte sich dann durch eigne Arbeit die Mittel zu einer Studien­reise nach Paris, wo sie sich in Toussaints Atelier im Modelliren, so­wie bei verschiedenen Graveuren im Graviren ausbildete. Zurückgekehrt nach Stockholm, wurde sie nach ihrers Vaters Tode Stempelschneiderin der königlichen Münze. Nach ihrer Vermählung mit dem Ornament­bildhauer Ahlhorn blieb sie ihrem Berufe treu, schnitt alle Stempel der Kupfer- und Silbermünzen unter Oscar I. und Karl XV. und gravirte auch alle Medaillen, welche die Akademie der Künste und Wissenschaften prägen liess.

Unleugbar haben die Frauen an der kunstgewerblichen Bewegung in Deutschland in den letzten Jahrzehnten regen Anteil gehabt, aber ein freimütiges Urteil über diese Anteilnahme wird auch den Dilettantismus hervorheben, der sich in erschreckendem Masse auf Kosten der wirklich zielbewusst strebenden Frauen breit gemacht hat. Gerade das Kunstgewerbe ist zum Tummelplatz der Schaffenswut höherer Töchter geworden, die im Vertrauen auf denangeborenen guten Geschmack mit bewundernswerter Kühnheit die Ergebnisse ihrer