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Arbeit in Bazaren und Messen zum Verkauf stellen, sich als Künst­lerinnen aufspielen und im Grunde genommen durch ihr Verhalten die Anstrengungen derjenigen, die sich mit Ernst und Gewissenhaftig­keit ihrem kunstgewerblichen Berufe hingeben, schädigen. Es gibt allerdings auch liebenswürdige Dilettantinnen, die sich nicht überheben und die sich hinsichtlich der Bedeutungslosigkeit ihrer Leistungen völlig im Klaren sind.

Die Frau, die sich dem Kunstgewerbe widmen will, muss über eine gute Vorbildung verfügen, den Willen besitzen, gewissen gesell­schaftlichen Vorurteilen zu entsagen und ihren Stolz in wirklich tüchtige Leistungen setzen. Sie darf sich nicht scheuen, in den Dienst der AVerkstatt zu treten, um sich die notwendigen technischen Kennt­nisse anzueignen, denn Kunst und Technik sind untrennbar mit­einander verbunden. Sie muss die Fähigkeit haben, nicht bloss Muster und Ornamente nachzuahmen, sondern auch selbst etwas Schönes auszusinnen und das Erdachte in vollkommener AVeise aus­zuführen.

Erst wenn eine genügende allgemeine Vorbildung vorhanden ist, kann die Fachausbildung erfolgen. Diese gliedert sich nach zwei Richtungen, nach der einen, welche der Frau die Befähigung schafft, als kunstgewerbliche Zeichnerin aufzutreten und sich vor­nehmlich in den Dienst der Industrie zu begeben, und nach der andern, welche zum handwerklichen Gebiete führt, auf dem sie sich praktisch bethätigen und vermöge ihrer besseren Vorbildung und ihres verfeinerten Geschmacks jede ihrer Leistungen zu dem Bereiche der Schönheit emporheben soll. Die kunstgewerbliche Zeichnerin und Modelleurin muss in das AVesen der modernen Industrie ein- dringen, sie muss speziell die Branche kennen, für die sie thätig sein soll.

Der Erfolg richtet sich natürlich nach der fachlichen Abbildung und Befähigung, d. h. nach den Leistungen, aber auch nach der Be­deutung und dem Umfang des erwählten Faches. Die Aussichten werden aber auch beeinflusst von einer Reihe anderer Momente, unter denen die geringere Bewegungsfreiheit, die die gute Sitte dem AVeibe zugewiesen hat, nicht zu unterschätzen ist. Bedeutende physische Kraft kann von den meisten Frauen nicht geleistet werden, mithin sind sie schon aus diesem Grunde gezwungen, auf eine Anzahl Zweige des Handwerks zu verzichten. In andern Zweigen wird sie bereits einen Massenandrang männlicher Arbeitskräfte vorfinden. Es ist demnach der Frau durchaus nicht leicht gemacht, sich auf dem Gebiete des Kunstgewerbes eine Einnahme für eine anständige Existenz zu sichern. Auf eine feste Anstellung hat eine Zeichnerin selten zu rechnen, es sei denn, dass ihr eine solche in einem Atelier für Stickerei oder Konfektion geboten wird. Ihr Schaffen ist also in der Regel ein freies; sie muss sich Aufträge beschaffen oder die bereits