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Inzwischen hatte die Gefässbildnerei auf Anregung französischer, englischer und dänischer Künstler, denen bald auch deutsche nach­folgten, gänzlich andere Bahnen eingeschlagen. Nicht die Anlehnung an die Renaissanceformen, nicht die Bemalung, sondern das Farbenspiel wurde zur Hauptsache. Man schenkte auch den bäuerlichen Töpfer­waren Aufmerksamkeit und suchte sie künstlerisch zu heben und zu veredeln. Künstler und Handwerker arbeiteten jetzt Hand in Hand, und wenn sie auch selbstverständlich das Drehen der Gefässe dem Töpfer überlassen, so zeichnen sie die Formen und wirken bei der Dekorirung persönlich mit.

Zwei Blumenmalerinnen, Frl. Hildegard Lehnert und Frl. Klara Lobedan, haben bei der diesjährigen Berliner Kunstausstellung ein ganzes, nach ihrer Angabe dekorirtes Zimmer voll derartiger Arbeiten ausgestellt. Wandteller, Blumenvasen in allen Grössen und Formen, grosse Palmen­kübel, deren schmiedeeiserne Träger gleichfalls nach Zeichnungen der Künstlerinnen hergesiellt sind; ebenso die originellen Wandarme in Ge­stalt von Seerosenblättern, welche je eine Vase tragen, während die Mummelblüte den elektrischen Beleuchtungskörper enthält. Zu dem reizvollen Farbenspiel der verschiedenen Glasuren tritt bei vielen Ge- fässen teils vertieftes, teils erhabenes Ornament, meist dem Pflanzenreich entnommen, w r ie die zierlich gefiederten Blätter des Pfefferbaumes, Akazien-, Ahorn-, Ricinusblätter, Iris und Narzissen alles rein dekorativ behandelt.

Beide Münchener Ausstellungen bieten vorzügliche Beispiele solcher Töpfereien von Frau Elisabeth Schmid-Pecht in Konstanz; aber ausser einem Blumenbrett mit meist weiss und grün gehaltenen Blumentöpfen stehen die anderen Stücke vereinzelt unter denen der männlichen Aus­steller, und so übersieht der flüchtige Besucher leicht, dass es sich um ausgezeichnete weibliche Arbeiten handelt.

Auch von der echt weiblichen Kunst der Nadelmalerei bietet Berlin eine ganz hervorragende Leistung von Fräulein Marie Kirschner. Die auf diesem Gebiete längst rühmlich bekannte Künstlerin hat ein Zimmer ganz nach eigenem Entwürfe ausgestellt, dessen Wände sie gemalt und gestickt hat. Eine virtuos ausgeführte Stickerei, die immer nur mit wenigen grossen Stichen in Seide und Chenille die Form markirt, eine Kunst für sich, nicht der Versuch, die Ölmalerei nachzuahmen. Es ist als Musik- oder Gartensaal gedacht. Unten herum läuft ein hölzernes, weisslackirtes Paneel, das durch Profile geschickt belebt ist; auch an der Decke setzt es sich fort, und ein leichtes Gitterwerk umspannt den als Wolkenhimmel behandelten Plafond. Die in Felder geteilten Wände sind mit blaugrauem Moiröestoff bespannt und zeigen die in der eigenartigen Weise der Künstlerin, teils gestickten, teils gemalten Blumen, unten gelbe Anemonen und von oben herabfallende weisse Blütentrauben. Zwei Thüren sind durch altgoldfarbene Moiröevorhänge geschlossen, welche, wie ein Teil der Möbel, mit ebenfalls halb gemalten, halb gestickten w r eissen Kaiserkronen geschmückt sind, andere Möbel sind blau gebeizt. Auch der Teppich ist blau Die irisirenden Glasgefässe auf den Tischen sind eben­falls nach Entwürfen der Künstlerin angefertigt.

Der Versuch, Ölbilder in Stickerei wiederzugeben, reizt geschickte Fraueiihä"de stets aufs neue. Die Damen Paczka haben auf der Berliner Ausstellung einen feingestimmten Schrank, als dessen Thürfüllung die in Originalgrösse gestickte Figur des Frühlings aus Sandro Botticellis be­rühmtem Florentiner Bilde verwendet ist. Im Glaspalast ist sogar das ganze Bild, acht Figuren, obendrein in verkleinertem Massstabe, von dpi- Gräfin Beroldingen gestickt. Wenn der Beschauer auch den Fleiss dieser Versuche anerkenuen wird und zugibt, dass die Gewänder reicher wirken.