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als jede Ölmalerei, so ist die Modellirung des Körpers und der Ausdruck der Gesichter mit der Nadel nur annäherungsweise zu erreichen, und eine solche Wiedergabe bleibt trotz aller Geschicklichkeit unbefriedigend.

Was München und Berlin sonst an Stickereien bieten, ist zwar meist geschmackvoll und gut ausgeführt, aber nicht hervorragend und obendrein wenig günstig plazirt.

Penelopes Webstuhl kommt wieder zu Ehren. In München haben die Schwestern Ida und Berlotte Brinkmann aus Hamburg in der alten sogenannten Gobelinweberei, oder wie wir richtiger sagen sollten: Bild­wirkerei ausgestellt. (DieRücklaken an mittelalterlichen Sitztruhen und Chorstühlen wareu in dieser Technik ausgeführt; sie ermöglicht es, sogenannte rapportlose Muster leichter herzustellen, als die gewöhnliche Weberei.) Ein drittes Fräulein Brinkmann leitet in Berlin die Klasse des Lettevereins, in welcher Schrift- und Bild Wirkerei gelehrt wird; denn man hofft, den Frauen, namentlich den etwas künstlerisch gebildeten, damit einen Erwerb schaffen zu können. Die Technik hatte sich von Alters her noch im Schleswigschen erhalten und erfreut sich jetzt unter Mitwirkung angesehener Künstler an der Webschule in Scherrebeck einer grossen Be­liebtheit bei dem kunstsinnigen Publikum. Die Kunst des Teppich- knüpfens war in Holstein althergebracht und wird wieder neubelebt. In München war im Kunstgewerbeverein ein in Husum geknüpfter grosser Teppich ausgestellt, dessen Entwurf stilisirte gelbe Kressen auf blauem Grunde von den Damen Büttner und Dürk herrührte. Einen blauen Knüpfteppich mit Linienmuster hatte Frau Ubbelohde für die Ausstellung im Gla«palast entworfen.

Die Münchener kunstgewerblichen Abteilungen beider Ausstellungen waren räumlich viel grösser, als die Berliner, wenn auch hier die Frauen­arbeit durch die den Damen allein eingeräumten bereits erwähnten Zimmer deutlicher hervortrat. In München aber waren noch mehr ver­schiedene Techniken vertreten, wenn auch meist nur mit einigen wenigen Stücken.

So hatten in der Sezession die Schwestern Macdonald aus Glasgow eine grosse Standuhr mit Zifferblatt aus getriebenem Messing, Frl. Maria v. Brocken aus Berlin Metallfüllungen, Frau Sophie Burger Hartmann vorzügliche Arbeiten in Bronze, sowie Schmuckgegenstände aus Silber. Die Schmelzmalerei, in der Art des Email von Limoges, war diesmal allein durch Frl. Ursula Brendel aus Weimar vertreten, während auch in Berlin Frl. Emmi Luthmer diese überaus schwierige Technik beherrscht, in München aber nur einen gestickten Wandschirm mit eigenartiger Ver­wendung schmaler Seidenbändchen ausgestellt hatte.

Ganz neu ist für Deutschland die weibliche Buchbinderkunst, während sie in England viel geübt wird, teils zu eigenem Erwerb, teils tmter Leitung kunstbegabter Frauen, als Beruf für Unbemittelte. Die Guild of Women binders hatte in der grossen Abteilung der verviel­fältigenden Künste im Glaspalast eine Anzahl schöner Einbände aus­gestellt, die freilich in der Menge anderer Bücher verschwanden; auch die Baronin Eichthal in St. Selve beschäftigt sich mit dieser Kunst. Bei uns ist leider noch nicht viel Aussicht dafür, wenigstens nicht dafür, sie zu einem lohnenden Erwerbszweig zu machen, da an Büchern und Einbänden mehr als recht gespart wird. Nur der Lederschnitt wird vielfach geübt, und auch dafür bot München in den Arbeiten der Damen Winterwerber und Hetz beachtenswerte Beispiele.

In dieser flüchtigen Skizze war es nur möglich zu schildern, wie vielseitig bereits die kunstgewerbliche Frauenarbeit ist. Es wäre sehr wünschenswert, dass wohlhabende Damen, wenn sie kunstgewerblich Auf­träge zu erteilen haben, die kunstübenden Frauen bedächten. Darin liegt

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