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höheren Lehranstalt erworbenen Kenntnisse in den Sprachen, Kunst­geschichte, Naturwissenschaften u. s. w. auch für diesen Beruf sehr zu statten kommen. Die Ausbildung zum wissenschaftlichen Zeichnen würde folgende sein: Nach einem gründlichen Zeichenkursus auf irgend einer Zeichen- und Gewerbeschule, der vor allen Dingen Auge und Hand ge­schickt für gutes und genaues Arbeiten macht (akademische Vorbildung, besonders anatomische und Aktstudien, können vortrefflich in diesem Fach verwertet werden) müsste ein Kursus im mikroskopischen Zeichnen folgen, um sich dabei die genaue Handhabung mit dem Mikroskope anzueignen, weiter ist damit das Studium der Histologie (mikroskopische Aanatomie und Gewebelehre) eng verbunden. Wenn auch gute Lehrbücher mit naturgetreuen Abbildungen sehr nützliche Wegweiser sind, so kann dies Studium damit allein nicht erlernt werden. Eine tüchtige Lehrkraft muss den Unterricht leiten. In Universitätsstädten pflegen Arzte oder Professoren Lehrkurse im wissenschaftlichen Zeichnen zu erteilen, oder einer Zeichnerin wird als Assistentin Gelegenheit zu weiterer Ausbildung geboten. Ferner müssen praktische Studien in Kliniken, Laboratorien, Sezirsälen u. s. w. gemacht werden; die Zeichnerin muss sich in der Herstellung von Schnitten und Präparaten, im Töten und Präpariren von Tieren u. s. w. durch Privatstunden üben, wie überhaupt durch unermüdliches Üben erst die erforderliche Geschicklichkeit und Fertigkeit erworben wird. Das wissen­schaftliche Zeichnen zerfällt in mehrere Hauptzweige. Das Zeichnen an der Staffelei und am Keissbrett, das makroskopische und mikroskopische Zeichnen. Das makroskopische Zeichnen kann sich sehr vielseitig ge­stalten, da es auf den verschiedenartigsten wissenschaftlichen Gebieten zur Anwendung kommt. Zoologische, botanische und mineralogische Institute verlangen naturgetreue Abbildungen von Tieren, Pflanzen, Steinen u. s. w. Wandtafeln oder Tafeln mit schematischen Figuren müssen für Schulen und Hörsäle angefertigt werden, auch plastische Nachbildungen von Pflanzen, Früchten, Pilzen u. s. w. fällen in dies Gebiet. Chirurgische Kliniken oder Laboratorien, medizinische Zeitschriften und Zeitungen verlangen die Abbildungen neu erfundener Instrumente. Für kunst­historische Museen oder gewerbliche Institute werden Zeichnungen ge­fordert, welche das Gebiet der antiken Baukunst oder der Keramik streifen. Kurz, es bietet sich hier eine Fülle des reichsten Materials, und je mehr die Zeichnerin den vielseitigsten Anforderungen gewachsen ist, desto leichter kann sie Arbeit finden. Da die meisten Arbeiten für den Druck bestimmt sind, so werden sie mehr oder minder skizzenhaft oder in feiner genauer Ausführung verlangt, entweder in Aquarell, Kohle, Kreide, Blei, seltener mit Ölfarben 'ausgeführt. Tönungen und Farben sind meist nebensächlich, da das Hervorheben der Umrisse immer das Hauptsächlichste bleibt. Das mikroskopische Zeichnen umfasst die Aufgabe, kleinste, dem unbewaffneten Auge kaum noch sichtbare Gegenstände so im Bilde wiederzugeben, wie sie im Mikroskope erscheinen. Dahin gehören vor allen Dingen Präparate aus der Bakterienkunde, Zoologie, Botanik, Mineralogie, aus der Anatomie und Pathologie des menschlichen Körpers, aus allen Zweigen der Natur­wissenschaften und Medizin; ebenso aber auch bedarf die chemische und mechanische Technologie der mikroskopischen Zeichnungen. Es ist selbst­verständlich, dass auf die allergrösste Genauigkeit in diesen Arbeiten das grösste Gewicht gelegt werden muss, da die geringste Abweichung das Bild vollständig verändern und das Urteil trüben kann. Auch diese bild­lichen Darstellungen sind zumeist für den Druck bestimmt und werden mit Feder, Tusche oder Blei gezeichnet. Das Arbeiten am Mikroskop verlangt auch völlig schweisslose, trockene Hände. Es ist die Pflicht der wissenschaftlichen Zeichnerin, sich genau an die Natur zu halten und sich den Auffassungen und Ideen ihrer Auftraggeber genau anzupassen.