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Tüchtig geschulte Zeichner und Zeichnerinnen werden an grossen Uni­versitäten sehr gesucht und ihre Kenntnisse hoch geschätzt und vor­züglich bezahlt.

Vielfach übernehmen Frauen die Anfertigung von Zeichen- und Malarbeiten für kunstgewerbliche Anstalten, für Zeit­schriften, Luxuspapierfabriken u. s. w. Das Gebiet, auf dem die Musterzeichnerin für ihre Geschicklichkeit Verwendung findet, ist sehr gross. In der Textilindustrie braucht man Muster für Kleider-, Möbel- und Dekorationsstoffe, für Teppiche u. s. w., in der Keramik für Sachen von Porzellan, Fayence, Majolika, Terrakotta, in der Fabrikation von Imxuspapier für Briefpapier, Karten, Fächer, Lampen­schirme u. s. w. Ferner braucht man Muster für Tapeten, Rouleaux, Gobelins, für Maschinen- und Handstickerei, Spitzen, für Brandmalerei, Kerbschnitt, Lederarbeit, Ätzkunst, für die Herstellung der ver­schiedensten Geräte aus Metall, Glas u. s. w.

Die erste Teppichmusterzeichnerin der Welt ist die Amerikanerin Frau Florence Cory. Diese hat 1881 dieSchool of Industrial Art and Technical Design for Women (industrielle Kunst- und technische Zeichenschule für Frauen) gegründet. Sie wurde da­durch die Begründerin eines neuen, gewinnbringenden Frauenberufs, denn die Frauen erwiesen sich als ausserordentlich geeignet dafür. Die Erfahrung lehrte, dass die Frauen mehr Geschmack in Zeichnung und Farbe und mehr Korrektheit im Detail entwickelten, als die Männer. Schülerinnen, die Mrs. Corys Schule alsolvirt haben, sind jetzt in den verschiedensten Teilen der Vereinigten Staaten zu finden, und sie sind glücklich in ihrem Beruf, der nicht nur ihnen selbst, sondern nicht selten auch ihren Familien eine sorgenlose Existenz sichert. Sandten die Teppichfabriken der Vereinigten Staaten ehe­mals Hunderttausende von Dollars für Teppichmuster ins Ausland, so beherrschen jetzt die amerikanischen Frauen den einheimischen Markt nahezu vollständig. Mrs. Corys Anstalt verkauft Teppichmuster an Fabrikanten nach Kanada, England, Schottland, China, Japan, Frank­reich und Deutschland.

Für diejenigen Frauen, die Maltalent besitzen, ohne es in der Malerei zu hoher Künstlerschaft bringen zu können, ist die kunst­gewerbliche Malerei zu empfehlen und gewährt mehr Aussicht auf eine befriedigende und gewinnbringende Thätigkeit als die Her­stellung mittelmässiger Gemälde.

In der Aufnahmeprüfung dieser Fachklasse der Kunstgewerbe­schule in Berlin haben die Schülerinnen nachzuweisen: Geschicklich­keit im Zeichnen nach ornamentalen plastischen Vorbildern und im Blumenmalen nach der Natur, vor allem aber vollkommene Sicherheit im Zeichnen von Ornamenten nach flachen Vorbildern und im geome­trischen Zeichnen. Falls die notwendigen Vorkenntnisse fehlen, können Vorbereitungskurse in der königlichen Kunstschule besucht werden.