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graphin lerne ferner neben ihren praktischen Übungen gründlich Porträtzeichnen nach lebenden Modellen, Retouche, Perspektive, Ex­perimental-Chemie, photographische Optik, Kunstlehre, Übermalen von Photographien, Englisch und Französisch und Buchführung. Bevor sie dazu schreite, sich selbständig zu machen, empfiehlt es sich, als Volontärin in grössere Ateliers einzutreten. Die Ausbildung ist nicht billig, aber tüchtige Kräfte mit einigem Geschäftssinn werden einen lohnenden Beruf in der Photographie finden.

Über Ausbildung und Erwerb im photographischen Beruf schreibt Helene Reis imFrauenberuf* (1899, Nr. 32.):

Wiewohl es im photographischen Beruf weder an männlichen noch an weiblichen Arbeitskräften fehlt, so soll doch in Erwägung gezogen werden, ob unter der Voraussetzung einer gründlichen Ausbildung hier nicht ein für Frauen besonders geeignetes Arbeitsgebiet liegt. Seit im Jahre 1839 die französische Regirung der Künstler- und Gelehrtenwelt Frankreichs die Erfindung Daguerres übergeben hat, nach welcher in verhältnismässig einfachem Verfahren Lichtbilder auf Silberplatten herzustellen sind, und zu gleicher Zeit in England Fox Talbot ein entsprechendes Verfahren (mit Chlorsilberpapier auszuführen) veröffentlichte, hat sich die Photo­graphie durch eine stattliche Reihe von Erfindungen immer weiter ent­wickelt, alle erdenklichen Fortschritte der Technik und Naturwissenschaft sind ihr dienstbar gemacht worden. Zum vollen Erfassen der- photo­graphischen Technik gehören darum auch die entsprechenden wissen­schaftlichen Kenntnisse. Wie die Photographie herausgewachsen ist aus ,

der Entwicklung der Wissenschaften, so dient sie nun treulich wieder den >

wissenschaftlichen Disziplinen, den Erfindungen, Entdeckungen, den Forschungen, den Künsten, der Industrie, ja selbst dem Vergnügen. Es gibt fast kein Arbeitsfeld mehr, welches der bildlichen Vervielfältigung entraten könnte, die vervielfältigenden Künste stützen sich ihrerseits auf photographische Aufnahmen. So weitet sich das Erwerbsgebiet für solche, die das photographische Verfahren beherrschen. Dennoch kann bei dem grossen Arbeitsangebot nur diejenige Kraft auf einträglichen Erwerb rechnen, deren Talent durch gründliche Ausbildung geschult, durch ernst- f

liches Wollen und Ausdauer unterstützt wird. Die erforderliche Begabung muss umfassen: zeichnerisches Talent, dekorativen Geschmack und eine leichte sichere Hand. Gesellt sich dazu äusserste Pünktlichkeit, Sorgfalt auch im Kleinsten und die Fähigkeit, gegebene Vorschriften treulich aus­zuführen, dann mag die vor der Berufswahl stehende Tochter sich der Photographie zuwenden. Vor ihr aber liegt dann eine Zeit ernster Schulung. Gehört sie ihrem Alter nach zu den Schulentlassenen und stehen ihr genügende Mittel zur Seite, dann ist ihr die Photographieschule des Lettevereins in Berlin zu empfehlen, welche eine besonders gründliche Ausbildung bietet. In der seit 9 Jahren bestehenden Schule hat man die Erfahrung gemacht, dass die auf rein wissenschaftlicher Grundlage ge­botene Anleitung keine so guten Resultate zeitigt, als die praktischen Übungen, welche nur von einer mässigen Anzahl theoretischer Fächer unterstützt wurden. So fördern Vorträge über Experimentalchemie und photographische Optik die praktischen photographischen Übungen, für welche wöchentlich 11 Stunden vorgesehen sind, ferner umfasst der Unterrichtsplan Porträtzeichnen, Gypszeichnen, Zeichnen nach ganzer Figur, Gewand- und Proportionzeichnen, Perspektive. Für das Übermalen von Photographien sind 3ö Stunden, für die Retouche 9 l / 2 Stunden

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