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Zweite Reise nach dem Sudahn, Reise nach dem Sinai und Heimkehr
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Der Ibis gehört zu den liebenswürdigsten Vögeln; er kann leicht gezähmt werden und belohnt durch sein Betragen die Mühe der Zähmung reichlich. Das wußten und empfanden die alten Egypter gewißlich auch, denn überall bemerken wir, daß sie in dem großen Buche der Natur mit Liebe, Aufmerksamkeit und Einsicht zu lesen verstanden. Und darum heiligte man den Vogel, darum sorgte man dafür, daß sein vergänglicher Leib durch der Priester hohe Kunst der Verwesung enthoben und für Jahrtausende bewahrt wer­de, damit, wenn einmal der unvergängliche Geist, welcher nach dem Willen der allweisen Götter Welten und Sphären durchwan­dern mußte, zurückkehre, er auch seine irdische Hülle wieder finden möge. Wie des Menschen Leichnam wurde der ,,des Vogels" ein- balsamirt, dieselben Spercreien, welche des Fürsten Sterbliches vor der Zerstäubung und Auflösung in die Atome der Urmaterie schüz- zen mußte, wurden auch ihm gespendet. Und gleichwie man über dem Sarkophag, welcher des Königs Mumie umschloß, einen Berg aufthürmte, so bebaute man auch für den heiligen Vogel ein eig­nes Mausoläum: eine der Pyramiden, welche wir die von Sa- kahra nennen. Hier findet man die von eigenthümlich geformten Urnen umschlossenen oder auch in Kammern schichtenweise aufgesta­pelten Mumien zu Tausenden und es nimmt uns, bei der bekann­ten Thatsache, daß fast nie eine Vogelleiche gefunden wird, Wun­der, wie es selbst im Laufe von Jahrtausenden möglich war, so viele JbiSleichen zu sammeln.

In unseren Tagen wird dem heiligen Ibis keine Ehre mehr angethan. Deshalb hat er das Land, in welchem er so hoch ge­feiert ward, verlassen und ist bis in die Urwälder des weißen und blauen Flusses geflohen. Gegenwärtig findet man ihn nördlich der Grenze der tropischen Regen nicht mehr. Sogar in Charthum ist er noch nicht Standvogel. Seiner uralten Gewohnheit treu, er­scheint er, wenn sich das helle Wasser des Gebirgsstromes el AS- rakh röthet oder die Fluthen des Bahhr el ab ladt zu trüben beginnen. Dann sammelt er sich mit seines Gleichen auf einer baumreichen, vom Wasser überflutheten Insel oder in einem über­schwemmten Theil des Urwaldes und baut dort in das dichteste