Dokument 
Zweite Reise nach dem Sudahn, Reise nach dem Sinai und Heimkehr
Entstehung
Seite
240
Einzelbild herunterladen

240

vorn andern Ufer übergesiedelt und hatten ihre luftigen Zelte unter den schattigen Mimosen eines Waldes am rechten Stromufer auf­geschlagen. Bald nach unserer Ankunft fanden sich mehrere Män­ner in der Nähe unserer Barke ein und betrachteten die auf dem Strohgezclt derselben liegenden ausgestopften Vögel. Zu ihnen ge­sellten sich Mehrere und in kurzer Zeit auch Weiber, so daß zu­letzt die Hälfte aller Bewohner deS Zeltdorfcs um uns versam­melt war.

Die Weiber hatten sich mit Bernsteinschnurcn, deren einzelne Stücke oft einen halben Zoll im Durchmesser haben mochten, Ko­rallen und Glasperlen Kopf, Hals, Arme und Haare geputzt. Einzelne von ihnen hatten wohl auch starke Messingringe in die Haare geflochten oder trugen diese in der Nase, aber eine der Schö­nen verdunkelte sie alle: sie trug als ganz besondere Zierde zwölf bis fünfzehn messingene Fingerhüte in den Haaren und warf ihren Kopf zuweilen mit europäischer Gefallsucht zurück, um da­durch ein höchst nüchternes, prosaisches Zusammenklingen der Fin- gerhüte zu bewirken. Sowohl Mädchen als Frauen waren nur mit einem um die Hüften geschlagenen Tuche bekleidet und trugen den übrigen Körper unverhüllt zur Schau. Sie waren ohne Aus­nahme untadelhaft gebaut und zeigten Zähne von vorzüglicher Rein­heit und so großer Regelmäßigkeit, daß sie gewiß manche Euro­päerin darum beneidet haben würde. Ebenso schön als die Zähne was das glühende, schwarze Augenpaar der Schönen oder bei jugendlicheren Gestalten der volle, aber wahrhaft plastisch geformte Busen. Die Kleidung der Sklavinnen und kleinen Mädchen be­stand aus einem sehr unvollständigen Schürzchen; die Knaben gin­gen völlig nackt.

Es machte mir Vergnügen, mich mit diesen Naturkindern zu unterhalten. Die treuen Schilderungen der Bibel finden sich bei ihnen wieder Bild für Bild; aber der Nimbus, in welchem dem Kinde der schafehütende Jakob oder die wasserscköpfende Rebecka vor der Seele steht, geht leider verloren. Noch heute kann man, wie sonst, den Hirten mit seinem Stäbe oder seiner Lanze bei sei­ner Heerde stehen sehen; noch heute kommt, wie sonst, die Jungfrau