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dem Tage der Concessionsertheilung eröffnet werden konnte. Und hiermit trat die Oesterr. Nord west­bahn in die Zahl der in Betrieb stehenden Eisenbahnen Oesterreichs.

So günstig sich der erste* Beginn ond die Einleitung des Unternehmens gestaltete und so ungestört der Verlauf des Baues im ersten Jahre war, so gross und nachtheilig erwiesen sich die Schwierigkeiten, welche im Jahre 1870 der Weiterführung und Vollendung des Baues entgegen traten.

Zunächst war es die Grundeinlösung, welche, um empfindliche Aufenthalte und Störungen im Bau zu vermeiden, zu schweren Opfern nöthigte.

In manchen Bezirken Böhmens, namentlich in den Industriebezirken des Riesengebirges, ferner auf der ganzen niederösterreichischen Strecke der Bahn wurde der Ablösung im gütlichen Wege von der Bevölkerung compacter Widerstand entgegengesetzt, der Bauausführung wurden alle erdenklichen Schwierigkeiten bereitet und es musste das durch die Concession gewährleistete Recht der Expro­priation in vollem Maasse in Anwendung gebracht werden. Leider sind aber die dasselbe betref­fenden gesetzlichen Bestimmungen so mangelhaft, dass es oft trotz der sorgfältigsten und energischesten Handhabung aller Rechtsmittel viele Monate, ja in einzelnen Fällen länger als ein Jahr dauerte, bis die benöthigten Grundflächen in Besitz genommen und die Arbeiten begonnen oder fortgesetzt zu werden vermochten. Auf der Linie Stockerau-Znaim, wo die Baubewilligung im August 1869 ertheilt Avurde, konnten aus demselben Grunde die Erdarbeiten in vollem Umfange erst im Spätsommer 1870 in xVngriff genommen werden. Ausserdem waren die Witterungsverhältnisse im Sommer 1870 sehr ungünstig und der darauf folgende Winter von ausserordentlicher Härte und Dauer. Die Arbeiter waren in Folge der vielen, gleichzeitig in Ausführung begriffenen Eisenbahnbauten und sonstigen Unternehmungen unbeständig und durch politische wie socialistische Agitationen schwierig gemacht. Endlich waren in Folge des deutsch-französischen Krieges die im Auslande bestellten Gegenstände, namentlich die Schienen, nicht mehr oder wenigstens nicht rechtzeitig zu beziehen. Zur Beschaf­fung der abgängigen Schienen musste sich die Verwaltung, um eine Sistirung des Baues auf ungewisse Dauer abzuwenden, entschliessen, andere als die contractlich schon sichergestellten Bezugswege zu eröffnen. Eine grosse Anzahl fertiger Schienen konnte glücklicher Weise von einer befreundeten Bahngesellschaft erworben werden und der übrige Bedarf wurde theils aus Westfalen, theils aus Werken des Inlandes in entsprechenden Terminen beschafft. Die in England bestellten Schienen wurden, wenn auch mit einiger Zeitversäumniss und mit beträchtlichen Mehrkosten, über Triest bezogen.

Alle diese Erschwernisse und Störungen erforderten vermehrte und concentrirtere Thätigkeit und es gelang trotz derselben, wenn auch mit wesentlichen Opfern, noch im Laufe des Jahres 1870 eine Bahnstrecke von 23 V 2 Meilen in Betrieb zu setzen und zwar am 29. October die Theilstrecke Kolin - Jungbunzlau, 7-2 Meilen, und am 21. December die Strecken Wossek-Ostromer (Hofic), Parschnitz-Pelsdorf (Hohenelbe) und Golö- Jenikau- Deutschbrod, zusammen 16*3 Meilen. Am 25. Jänner 1871 wurden sodannDeutschbrod-Iglau, 3-3 Meilen, am 23. April Iglau-Znaim, 13 Meilen, und am 1. Juni 1871 die Strecken Ostromer-Pelsdorf, 6-2 Meilen, und Deutschbrod - Pardubitz, 12*4 Meilen, eröffnet, so dass mit diesem Tage (1. Juni 1871) die staatliche Zinsengarantie für die ersten beiden in der Concessionsurkunde fixirten Gruppen eintreten konnte.

Es war somit in weniger als 2V a Jahren sowohl die erste Gruppe, für welche drei Jahre Bau­zeit gewährt war, als auch die zweite Gruppe, für welche eine Bauzeit von 4 Jahren gesetzt Avar, also die erste um 7 Monate und die zweite um 22 Monate vor den bestimmten Terminen, welche die Concession vorschreibt, vollendet worden.

Unterdessen war auch auf der dritten Gruppe Wien-Znaim mit dem Flügel zur Franz- Josefs-Bahn, für welche die Concession ein Vorbereitungs- und fünf Baujahre gewährte, der Bau eifrig betrieben worden, jedoch erforderten die grossen Bauobjecte: der Thaya-Viaduct, die Donau- Brücke und der Wiener Bahnhof, welche auf dieser Strecke herzustellen kamen, naturgemäss eine längere Baufrist.

Der Bau des grossen Viaductes, mit dem das Thayathal übersetzt wird, nahm im Früh­jahre 1869 seinen Anfang und Avard im Herbste 1871 zu Ende gebracht.