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Beschreibung und Motivirung der Trace mit Bezug auf die Terrain- und volkswirtschaftlichen Verhältnisse

des Bahngebietes.

I. Die Linie Wien-Znaim mit dem Flügel an die Kaiser Franz-Josefs-Bahn.

Der Bahnhof Wien, am Ende der Taborstrasse gegenüber dem k. k. Augarten situirt, entspricht bezüglich seiner Lage in hohem Maasse allen Anforderungen, die man an den Ilaupt- bahnhof einer für den Verkehr der Residenz mit den nördlichen Kronländern der Monarchie und deren Grenzstaaten so bedeutsamen Bahn zu stellen berechtigt ist.

Nicht nur die durch die Tabor-, Wallenstein- und Nordbahnstrasse heute schon vermittelte und durch die seinerzeit bevorstehende Realisirung einer Verlängerung der Augartenstrasse gegen den Porticus des Bahnhof-Abgangstractes zu erzielende nahe und directe Communication mit dem Centrum des heutigen Wien, sondern insbesondere auch der unmittelbare Contact mit den, längs der regulirten Donau schon in nächster Zukunft zu gewärtigenden ausgedehnten Baucomplexen der projectirtcnDonaustadU sprechen für die günstige Situation dieses Ausgangspunetes der Bahntrace.

Die Trace geht von Wien aus in nördlicher Richtung zwischen dem Bonaueanale und dem sogenannten Ivaiserwasser stromaufwärts bis oberhalb der Abzweigung dieses Donauarmes vom Hauptstrome. Für die Uebersetzung der Donau wurde ein Punct gewählt, wo der Fluss noch nicht in seine zwei Arme gespalten ist, daher mit nur einer Brücke übersetzt werden konnte. Diese Situation bot zugleich, abgesehen von ihrem ökonomischen Vortlieile, noch den wesentlichen Vorzug, dass das Project für die Donauregulirung eine Aenderung des Flussbettes an diesem Ort nur in sehr beschränk­tem Maasse enthielt, dass also hier die Brücke unabhängig von jenem Unternehmen ausgeführt werden konnte.

Die Donau wird vermittelst, einer Strombrücke mit 4 Oeffnungen ä 80 Meter Weite übersetzt, an welche sich die Inundationsbrücke mit 14 Oetfnungen ä 30 Meter Weite anschliesst.

Bei Jedlersee knüpft die Trace in einem Bogen an den durch die Nordwestbahn - Gesell­schaft angekauften Stockerauer Flügel der Kaiser Ferdinands-Nordbahn derart an, dass für den Ver­kehr der auf der Nord westbahn durchlaufenden Güter sowie für den Personenverkehr die neu erbaute Station Jedlersee fungirt, während für den wechselseitigen L T ebergang von Gütern zwischen der Nordwest-und Nordbahn (gegen Floridsdorf) die-alte Nordbahnstation Jedlersee als Transito- Station adaptirtnmd vergrössert wurde.

Durch die käufliche Erwerbung der Strecke Jedlersee-Stockerau aus dem Besitze der Nord­bahn entfiel die .Nöthwendigkeit des Baues einer Parallelstrecke bis zur letztgenannten Stadt.

Für die Weiterführung der Trace von Stockerau nach Znaim öffnet sich nächst dem Stockerauer Bahnhof das Göllersthal als der unverkennbar beste, gleichsam von der Natur vorbe­reitete und angewiesene Weg für die Bahn. Dieses Thal ist das einzige, welches die Gebirgskette, die den west-östlichen Lauf der Donau gegen Norden einsäumt, vollständig durchbricht-, dasselbe spaltet den Ernstbrunner Wald vom Mannhartsberg bis an das Thaya-Gebiet hinan. Das Göllersthal gestaltet sich ungemein günstig für die Aufnahme der Bahntrace. .Die Richtung des Thaies wechselt selten, das Gefälle ist nie stärker als 0*005 = .1:200; der Thalboden ist eben und die Lehnen sind sanft ansteigend, Versumpfungen kommen nirgends vor, Ueberschwemmungen sind sehr selten und gefahrlos; ausserdem ist das Thal stark bevölkert, hat grosse und. wohlhabende, dem Eisenbahnver­kehre namhaften Zufluss versprechende Ortschaften. ... , . .

Die Bahn zieht sich dem Thal entlang auf einer sehr niedrigen, grösstentheils aus seitlichen Materialentnahmen hergestellten Aufdämmung bis nach Guntersdorf fort.

So wird die Höhe der Wasserscheide zwischen Donau und Thaya mit kaum merklicher Steigung fast ganz erreicht, und es bleibt nur noch ein schwacher, nördlich verzweigter Ausläufer des Ernst­brunner Waldes zu überschreiten.