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Die natürliche Bodenplastik wies auch hier wieder auf einen günstigen Weg. Wenig westlich in der Nähe der Ortschaft Platt findet sich nämlich eine Einsattlung, welche nicht nur gestattet, die Höhe bedeutend leichter zu gewinnen, als in der directcn Bichtung, sondern auch die Uebersetzung des jenseits dieses Höhenrückens quer über die Bahnrichtung ziehenden Pulkauthales erleichtert.

Nach dieser Thalübersetzung, die bei Ausnützung der durch die Natur gebotenen Yortheile zwischen den Orten Zellerndorf und Wetzelsdorf ohne grosse Schwierigkeit bewerkstelligt wurde, kam es darauf an, das Plateau zu gewinnen, welches von den Gewässern der Thaya durchbrochen wird und über das die Bahn nach Znaim gelangt. Nachdem man genöthigt war, sich von der in Gun­tersdorf bereits gewonnenen Höhe behufs Ueberschreitung des Pulkaubaches etwas zu senken, bedurfte es jetzt neuerdings einer continuirlichen Steigung von 1:100, um auf das beregte Plateau zu gelangen.

Kür den weiteren Weg nach Znaim erwies es sich als vortheilliaft, nochmals eine westliche Richtung einzuschlagen; die Gewässer nämlich, welche sich aus dem Hetzer Gebirge östlich ergiessen, haben in Folge ihres kurzen, rasch abfallenden Laufes die Tendenz, ihr Bett tief in den Boden ein­zugraben; in den oberen Regionen, wo ihre Wassermasse noch geringer und die Structur des Gebirges fester ist, haben sie dies weniger vermocht, als in dem unteren Theile ihres Laufes. Darin liegt der Grund, dass der höher gelegene Theil des Plateaus ebener und regelmässiger gebildet und weniger durchfurcht ist, sich daher auch für den Zweck des Eisenbahnbaues günstiger darstellte.

Die in solcher Weise der geeigneteren Terraingestaltung folgende Trace führt in die unmittel­bare Nähe der Stadt Retz, einUmstand, welcher in Anbetracht der dem Betriebe daraus erwachsenden Yortheile sich als sehr günstig erwies, und es durchaus unthunlich machte, der Bestimmung des Con- cessionsgesetzes nachzukommen, das als Ausgangspunct für den zur Franz-Josefs-Bahn führenden Flügel Z n a i m bezeichnet. Die Terraingestaltung deutete vielmehr unabweislich dahin, als Abzweigungspunct dieses Flügels Zellerndorf zu wählen.

Sollte nämlich in der Franz-Josefs-Bahn Eggenburg als Anschlussstation gewählt werden, so blieb für den Flügel kaum eine andere Richtung übrig, als die kürzeste und directeste von da nach Zellerndorf. Gegen die Wahl von Eggenburg sprachen übrigens zwei gewichtige Gründe:erstens die Rücksicht auf den volkswirtschaftlichen Zweck des Flügels überhaupt, welcher offenbar der ist, eine möglichste directe ost-westliche Verkehrslinie (Lundenburg-Budweis) zu schaffen, und zweitens die ausserordentlichen technischen Schwierigkeiten, welche die Einführung der Flügelbahn in die Eggen­burger Station dargeboten hätte.

Diese Station liegt nämlich in beträchtlicher Höhe über der Stadt auf dem für die Bahnrich­tung der Oesterr. Nordwestbahn jenseitigen Thalgehänge und würde nur durch eine sehr kostspielige, langgestreckte Hebung der Oesterr. Nordwestbahn und eine hohe Thalübersetzung zu erreichen ge­wesen sein. Es empfahl sich daher entschieden die nächste westlich gelegene Station der Franz-Josefs- Bahn S i g in u n d s h e r b e r g (Horn) als die Anschlussstation für den Flügel der Nordwestbalin. Dem­nach wurde in Berücksichtigung der vorstehend entwickelten Gründe der Flügel zur Verbindung mit der Franz Josefs-Bahn mit nachträglicher Genehmigung der Regierung derart ausgeführt, dass die Ab­zweigung von der Hauptlinie bei Zellerndorf erfolgt.

Die Trace des Flügels, die sich in südlicher Richtung bis in die Nähe des Ortes Platt als Parallelgeleise der Hauptbahn hinzieht, weicht hier westlich ab, hält sich, das enge tief eingerissene und vielfach gewundene Thal der Pulkau vermeidend, fortwährend auf dem Plateau zwischen diesem und dem Maigenbaclithale, lässt bei der Station Pulkau den gleichnamigen Ort eine Viertelstunde rechts abseits, lenkt dann bei Maigen in das Thal des Maigenbaches und mündet nach Uebersetzung des Baches in die Station Sigmundsherberg (Horn) der Franz-Josefs-Bahn.

Zurückkehrend zur Hauptlinie, wird weiters bemerkt, dass die Führung der Trace über das erwähnte Hochplateau von Retz bis an das hohe Thaya-Ufer bei Znaim keine wesentlichen Schwierigkeiten bot, indessen durch die unregelmässige Plastik der Oberfläche zu vielen und starken Windungen nöthigte. Die Ueberbrückung des Thaya-Flusses, welcher von Znaim quer über die Bahn­richtung in einem tief und schroff eingerissenen Granitbette dahinfliesst, bildete nächst der Wiener Donaubrücke das grösste und schwierigste Object des ganzen Bahnnetzes.