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Handel mit Menschen-Haar.

Frankreich, Norddeutschland und Italien liefern die größte Menge von Menschenhaaren. Kleine Quantitäten bietet zuweilen auch Ruß­land, Oesterreich und Belgien dar. Großbritannien trägt wenig hie- zu bei. Dagegen kommt zuweilen sogar aus Indien und China eine Sendung. Der Werth des Haares richtet sich besonders nach seiner Seltenheit, und das rothe Haar wird am theuersten bezahlt. Die nördlichen Länder Europa's, wie Deutschland, Holland, Schweden rc-, liefern das blonde, der Suden, und insbesondere Frankreich, das dunkle Haar. Frankreich liefert die schönsten und feinsten, Deutschland die lich­ten und flachsfarbigen, Italien die langen und dunkeln Haare. Die indischen und chinesischen Haare sind wegen ihrer groben Textur kaum verkäuflich; die Chinesen verwenden sie zu Bindfäden und Seilen. Im alten Rom mußte jede neu eroberte Provinz rc. den nach Ab­wechslung haschenden Römerinnen (deren Prachtliebe und Verschwen­dung besonders in Haartrachten das Unglaublichste leisteten) neue Vor­bilder geben, wie sie ihre Haare kräuseln, sie in Zöpfe flechten und um den Kopf schlingen sollten. Und nichts aber bewirkte eine so allgemeine und wichtige Veränderung in ihrem Haarputze, als die Besiegung der deutschen Völkerschaften in Belgien und am Rhein. Sie lernten hierdurch nicht allein die wie Hörner hervorstehenden Haarwülste (jetzt wieder Mode!) und Flechten dieser Völker kennen, sondern es verbreitete sich auch sehr schnell die bis zur Modewuth ausartende Liebhaberei für hochblondes und goldgelbes Haar; so daß ein eigener Galanteriehandel mit den Zöpfen deutscher Frauen entstand, welche sich die Römerinnen sehr künstlich einzusetzen wußten. Marseille ist nunmehr der Hauptplatz des Handels mit Menschen­haaren, und mehr als 40,000 Pfd. dieses Artikels werden dort all­jährlich, hauptsächlich aus Italien und speciell aus Sicilien, Neapel und dem Kirchenstaate, zum Theil auch, jedoch in geringeren Quan­titäten, aus Spanien und einzelnen französischen Departements ein­geführt. Von Provinzen Frankreichs liefern die Bretagne und die Auvergne die meiste Zufuhr. Die Landbewohnerinnen der Bretagne und der südlichen Departements überhaupt, deren Kopfputz den Schmuck des Haares entbehrlich macht, sind gern geneigt, dasselbe sogar nur gegen Nadeln, Bänder u. dergl. an die Händler zu vertauschen. Käufer gehen dort an den Markttagen umher und lassen die Mäd­chen, die ihr Haar verkaufen wollen, auf ein Weinfaß steigen und ihre Frisur lösen, worauf dann um das Herabwallende Haar ein eifriges Bieten erfolgt. Auch die Verf. führt uns ein solches Marktbild vor. Sie sagt: in Caen (Frankreich) ist ein Markt, wel­chen junge Mädchen, die ihren natürlichen Kopfschmuck zu Gelde machen wollen, besuchen, und" Stunde um Stunde mit aufgelöstem Haare, das in seinem Reichthum? und Glänze den prächtigsten Con- trast mit ihren nackten Schultern bildet, auf einen Käufer warten. Die Kaufliebhaber gehen die Reihe derselben entlang, prüfen Farbe, Wachsthum, Ebenmäßigkeit und andere Eigenschaften desselben, han-