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Die Beschäftigung des weiblichen Geschlechts in der Hand-Arbeit oder praktische Nachweisung der Thätigkeit der Frauen im Haushalte, im Verkehr, in der Klein- und Groß-Industrie, in den verschiedenen Gewerben, selbstständigen Erwerbsarten, und den zunächst damit verbundenen Absatz-Geschäften / von A. Daul. Mit einem Vorwort von Max Wirth
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Der Lein- oder Flachsbau.

verkehr. Man hat auch schon Hechelmaschinen; aber das Hand- hecheln kommt ungeachtet derselben noch immer vor.

Da die Wasser- und Thauröste aber nicht blos langwierig und dabei Gefahr ist, daß der Flachs durch zu langes Rösten verdorben werde, da sie sogar ungesund ist, weil durch die Fciulniß der Pflanze die Luft in der Umgegend herum verpestet wird, sollte allge­mein die Warmröste eingeführt werden, wie zur Darstellung grö­ßerer Flachsmengen, insbesondere die Schenk'sche, empfehlbar ist. Die kalte Röste würde außerdem für die jetzt in Verwendung kom­menden Flachs-Quantitäten auch schon gar nicht mehr genügen. Als eine natürliche Folge der Einführung derselben und von beson­deren Flachszubereitungsanstalten wird sich in Zukunft der Bau von Gespinnstpflanzen von der Flachsbereitung immer mehr trennen und zwei gesonderte Beschäftigungen bilden müssen; weil zu dieser letzteren ganz besondere Einrichtungen nothwendig sind. Es ist dies aber nicht allein ein Vortheil für die Leinenindustrie, die dadurch sich selbst ein besseres und geeigneteres Material zubereiten kann, sondern auch für den Landwirth; indem derselbe dadurch in den Stand gesetzt ist, sein landwirthschaftliches Produkt unmittelbar nach der Ernte zu verwerthen, ohne sich bei ungünstiger und mangelnder Zeit der beschwerlichen Röste und den übrigen umständlichen Arbeiten unter­ziehen zu müssen.

Auch da, wo bisher die Produktion von Leinenwaaren noch im­mer einen Theil der Hausindustrie bildet, und gleichsam Producent und Consument unten Einem Dache wohnen, wird bald die Ueber­zeugung Platz greifen müssen, daß der Landwirth den gebauten Flachs höher durch den Verkauf zu verwerthen im Stande ist, als durch das Verarbeiten im eigenen Hause, daß ihm die Leinenerzeugnisse für seinen Bedarf sogar billiger in's Haus gebracht werden, als er selbst mit seiner Hände Arbeit sie herzustellen vermöchte. Die Haus­industrie in der Flachscultur würde ja doch immer nur dazu da sein, um die Brosamen des Fabrikbetriebes aufzulesen. Für die hier ausfallende Frau enarbeit aber würde es hundert andere häusliche Beschäftigungen geben, wie ja unser Buch darüber am besten Anlei­tung denjenigen hiezu zu ertheilen bestimmt ist, welche offenen und rührigen Sinn haben und nicht gleich muthlos die Hände in den Schoß legen, wenn ihnen etwa, wie hier, zum allgemeinen Besten eine angewöhnte Beschäftigung entzogen wird.

Alle Mittel sollten aber in Bewegung gesetzt werden, um be­sonders bei uns in Deutschland den Flachsbau zu verbreiten und zu veredeln. Hiezu ist die Verwendung guten (etwa Rigaer) Sa­mens, die Einführung einer rationelleren Cultur, die Errichtung gut eingerichteter Flachsbereitungsanstalten und tüchtiger Maschinen-Spin- nercien nöthig. Dieses sind die Grundlagen, von welchen ein neues, durch die letzte Baumwollenkrisis angeregtes Aufblühen der deutschen Lcinenindustrie mit Sicherheit erwartet werden könnte.