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Der Bernstein und seine Gewinnung, f. Bernstein.

390. Der Bernstein und seine Gewinnung. Bernstein (Agtstein, gelbe Amber) ist ein fossiles Harz, welches aus dem Pflan­zenreiche abzustammen scheint. Er ist theils durchsichtig, theils nur durchscheinend und kommt in verschiedenen Nuancen von Gelb vor. Der Hauptfundort des Bernsteins ist die preußische Ostsecküste, wo ihn schon die Phönizier und andere handeltreibende Völker holten. Die Ostsee, welche den Bernstein in der Tiefe birgt, wirft denselben an der ganzen erwähnten Küste an's Land, und besonders angestellte Beamte, sog. Strandreiter, suchen ihn regelmäßig in den ersten Ta­gesstunden auf. Häufiger gewinnt man ihn durch Schöpfen aus der See. Hiebei wird von den Bernsteinfischern folgendes Verfahren beobachtet: Das durch heftige Nord- und Westwinde (Bernsteinwinde) vom Seegrunde losgerissene Seekraut oder Tang, in welchem sich der Bernstein befindet, treibt regelmäßig dem Ufer zu. Sobald die Bcrn- steinfischer das ankommende Kraut bemerken, gehen sie, in grobe wol­lene oder lederne Röcke gekleidet, mit ihren Kätschern oder Ketschern

dichten, an langen Stäben befestigten Netzen bis über die Brust in die See hinein, schöpfen mit denselben, tief nach dem Grunde des Meeres fahrend, das Seekraut auf und leeren sie am Strande. Frauen und Kinder lesen dann den Bernstein aus. Am einträg­lichsten ist Bernsteinfischerei in den Monaten November und Decem­ber, wo durch Nordstürme die See viele Tage hinter einander ohne Unterlaß tief und heftig bewegt wird, große Massen Seetang losge­rissen und dem Ufer zugetrieben werden. Dann ist aber das Geschäft auch äußerst gefahrvoll, und nicht selten kommen die Männer ganz erstarrt aus dem Meere und sind genöthigt, ihre zu Eis gefrorenen Kleidungsstücke am Feuer aufthauen zu lassen. Die von den Her­ren Becker und Stantika im Kurischen Haff betriebene Bernstein- fischerei beschäftigt täglich 400 Personen. Der tägliche Verdienst eines Arbeiters beträgt gegen einen Thaler. An Bernstein soll täg­lich durchschnittlich 80100 T' gewonnen werden. Das Pfund wird nach der Qualität mit 630 Thlrn. im Handel verwerthet. Die Pachtzahlung an den Fiskus beträgt für'je 24 Stunden Arbeitszeit 25 Thlr. Auch durch Nachgrabungen an der Küste und im Innern des Landes, z. B. außer der Provinz Preußen auch in Posen und Brandenburg (Berlin) hat man Bernstein gewonnen. Man denkt jetzt sogar wieder an die Anlegung eines ordentlichen Bergwerks auf Bernstein, wie es 1731 bei dem Dorfe Gr. Hubnicken der Fall war.

Der Bernsteinhandel geht vorzüglich von Königsberg, Danzig und Stolpe aus; noch im Mittelalter war er so bedeutend, daß die Straße, welche von Danzig an der Weichsel entlang durch Ungarn und Italien führte, dieBernsteinstraße" genannt wurde. In großer Menge wurde der Bernstein, der eine Art Harz und natürlich auch brennbar ist, nach dem Morgenlande als Räucherungsmittel ausgeführt und