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Glasfabrikation.

Völkern, zunächst den Galliern und Bewohnern Englands von den Römern aus bekannt geworden sei. Aber erst, als man Tafelglas durch Blasen herzustellen verstand und man es nun zu Zwecken des täglichen Gebrauches, namentlich als Scheiben zur Ausfüllung der Fensterräume verwenden konnte, erhielt die Glasfabrikation eine we­sentliche Förderung und Verbreitung.

Von den Glasmachern selbst ist bereits im 4. Jahrhundert spe­ciell die Rede, indem alle Handwerksleute, welche Glas machten oder in Glas überhaupt arbeiteten, durch Kaiser Konstantin von Abgaben befreit wurden. In Venedig, wo im Mittelalter großartige Glas­fabriken blühten, die werthvolle Kunsterzeugnisse hervorbrachten und der Republik große Reichthümer eintrugen, war es bei Todesstrafe ver­boten, Fremde und Nichtglasmacher überhaupt darin zu unterrichten, und in Frankreich hatten noch gegen Ende des 17. Jahrhunderts nur wirkliche Edelleute (xenlilkomme« verlier«) das Recht, die Glas­macherkunst auszuüben.

Venedig und Böhmen sind die eigentlichen Wiegstätten der mo­dernen europäischen Glasfabrikation; aber Frankreich hob dieselbe seit LudwigXIV. auf eine noch nicht gekannte Stufe und gab ihr vor allem durch die Erfindung des Gußglases sehr große Ausdehnung, eine Verbesserung, welche England erst 1791 adoptirte. Und die Erzeu­gung des Glases bildet nun einen sehr wichtigen Gewerbszweig, der in neuerer Zeit eine höhere Stufe der Entwicklung erreicht hat und durch die Hilfe der Wissenschaft noch ferner erreichen wird. Nament­lich sind es aber England, Frankreich und Belgien, die bisher bedeu­tende Fortschritte darin gemacht haben, während in Deutschland, rühmliche Ausnahmen abgerechnet, wenig hieven zu spüren war.

Aber manches, was seitdem gewonnen worden war, ist in neue­ster Zeit wieder verloren gegangen. Alle Künste Kunkels und der Vcnetianer sind noch nicht wieder gefunden; die Glasfenster des Mittelalters sind noch nicht erreicht, und in den römischen Schrift­stellern geht die Sage von einem Glasbecher, den man verbiegen und wieder zurccht hämmern konnte. Von der allerersten Glashütte in Deutschland finden wir die Spur im 9. Jahrhundert im Kloster zu , Konstanz, da zu dieser Zeit unter den dortigen Handwerkern auch Glasbrenner" genannt werden.

Es ist aber erst im Anfange des 16. Jahrhunderts, daß von Glashütten in Deutschland etwas mehreres bekannt ward, und das sind die Glashütten um und auf dem Spessart und dann diejenige des Grafen Reinhardt von Reineck zu Rappersborn bei Fremmers- bach (1502). Im Jahre 1557 wurde die erste Glashütte in Eng­land, in Schweden 1641 und in Portugal in den Jahren 1702 bis 1705 errichtet. Vorn 17. Jahrhundert an tauchten dann immer mehr Glashütten in den verschiedensten Gegenden Deutschlands auf, wie in Schlesien, Sachsen, Mecklenburg, Brandenburg, Bayern und Oesterreich; namentlich aber in Böhmen, welch' letzteres Land gegen