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Zweite Reise nach dem Sudahn, Reise nach dem Sinai und Heimkehr
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nur in der Nähe immer wasserreicher Ströme bemerken. Die Trok- kenheit der regcnlosen Monate ist aber sogar dort noch so groß, daß sie, wenn auch nur auf kurze Zeit, den Blätterschmuck der Bäume vernichten und sie auf einige Wochen in Todcsschlummer versenken kann. Aber bald erweckt sie der wieder fallende Regen zu Frühlingslust und Frühlingsleben. Und mit diesem freundlichen Bilde will ich beginnen, obgleich es schwer ist, seine Pracht wür­dig zu beschreiben.

Wir betreten vom Ufer aus, an einer etwas freien Stelle, den Urwald, aus welchem uns ein ununterbrochenes, wirres Stim- mengctön entgegenschallt und Balsamduft anweht. Schon nach wenigen Schritten umgibt uns von allen Seiten der großartige Wald. Alles in ihm schwelgt in der üppigsten Fülle. Das Auge weiß nicht, wohin es sich wenden soll; das Ohr strebt vergeblich, das nicht endende Töncchaos zu ergründen; der Fuß zögert, weiter zu schreiten. Pflanzen und Vögcl entfalten eine ungeahnte Pracht. Die von goldenen Blüthenröschcn schimmernden Wipfel der Mi­mosen haben meist noch eine Decke von Schlingpflanzen erhalten; die blumenreiche Liane rankt von Baum zu Baum, bemächtigt sich eines großen Theils des Waldes und verwebt Wipfel und Stäm­me, Baumkronen und niedere Gebüsche zu einem einzigen, un­durchdringlichen, undurchsichtigen Ganzen, in welchem es lebt und webt, daß dem Naturfreunde das Herz aufgeht. Blumen, welche unsere reichsten Gärten zieren würden, wachsen hier wild. Wir zäh­len allein von Winden mehr als zehn Arten. An einigen Schling­gewächsen bewundern wir die Blumen, an anderen die Früchte. Eine von ihnen trägt eine carminrothe, gurkcnähnliche Frucht, wel­che die EingeborncnTammr el Aabihd" die Frucht der Sklaven nennen; andere bieten den Vögeln ihre großen herz­förmigen, zinnoberfarbencn Beeren zur leckeren Speise. An einigen Stellen ranken sich Riefendohnen an den Bäumen empor. Sie haben schöne Blüthen und fußlange, fleischige Schoten mit schwe­ren Saamcnkernen. Die Sudahnesen benutzen sie nur als Vieh- futter, obgleich ich gar nicht zweifle, daß sie ein gutes Gemüse geben würden. Selbst bis auf die Blätter und Ranken erstreckt sich