Dokument 
Zweite Reise nach dem Sudahn, Reise nach dem Sinai und Heimkehr
Entstehung
Seite
210
Einzelbild herunterladen

210

^ aber noch ist mir Eins nicht klar geworden: jenes Etwas,

l! welches die Zugvögel dazu bewegt, so ungeheure Wegstrecken zu

durchwandern, ehe sie Ruhe finden; jenes Etwas, das sie ^ treibt, Orte zu verlassen, welche ihnen jahraus, jahrein, nach

menschlichem Ermessen wenigstens, alles zu ihrem Wohlbefinden Erforderliche bieten.

Die Vogel verlassen unsere Gegenden", sagt der vogelkun- dige Altmeister Naumann in seinem ausgezeichneten Werke,um der eintretenden Kälte und dem Mangel an Nahrung auszuwei- l chen, sie fliegen gemächlich in wärmere Länder, haben während

ihres Zuges also immer dieselbe Temperatur der Luft und dieselben l Nahrungsmittel in Ueberfluß bis zu dem Orte ihres Winteraufent-

haltes und kommen, sowie jene Ursachen sich allmählig verlieren, ebenso wieder von da zurück."So wie sie von der ihnen fol­genden Kälte nach und nach von uns fortgetrieben werden, so muß sie im Gegentheile eine größere Wärme, als ihnen angenehm ist,

! zum Rückzüge bestimmen u. s. w."

Meine Beobachtungen haben in mir Zweifel an der Wahrheit > dieser Ansichten erregt. Der Mangel an hinreichender Nahrung

und Wärme kann es nicht allein sein, welcher die Vogel zum Wandern treibt. Es muß noch andere Beweggründe dazu geben. Sagt doch Naumann, fast sich selbst widersprechend:

Der Trieb, in wärmere Länder zu ziehen, ist dem Vogel angeboren und die Eltern haben nicht nöthig, ihren Kindern erst den Weg zu zeigen. Jung aus dem Neste genommene und aufge­zogene, in einer geräumigen Kammer frei herumfliegend unterhal­tene Vögel *) beweisen dies hinlänglich. Sie schwärmen während ihrer Zugzcit des Nachts so gut in ihrem Gefängnisse umher, als wenn man alte ihrer Art darinnen unterhält."

Ja, dieser ihnen angeborene Trieb, zu wandern, diese Sehn­sucht, ferne Länder zu besuchen, dieses nur in seltenen Fällen ge­schwächte Streben, ihre Heimath zu gewissen Zeiten zu verlassen

*) Diesen fehlt es also weder an hinreichender Nahrung, noch an Wärme. Br.

r