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Dainen-Schneiderinnen.

Früher machte man sie, und zum großen Theile auch jetzt noch, nur aus zugeschnittenen Stücken. I. I. Iosselin in Paris aber fing an, gewebte Corsetts zu sabriciren, die wohlfeiler und fester sind, ohne jedoch weder der Gesundheit zu schaden, noch die Eleganz zu beeinträchtigen. R. Werly Co. zu Bar-le-Duc haben wichtige Verbesserungen in dieser Hinsicht gemacht; sie beschäftigen 60 Stühle und 232 Personen und liefern jährlich 27,000 Stück Corsetts. Karl d'Ambly in Stuttgart begründete daselbst 1848 das erste derartige Etablissement, und wurden damals in Wür- temberg jährlich gegen 250,000 Stück verfertigt, wovon d'Ambly allein 3000 lieferte. Ueberhaupt scheint Würtemberg in der Fabri­kation der Corsetts, namentlich jener ohne Naht, gegenwärtig (so heißt es in dem Berichte der Münchener Ausstellung von 1854) das Hauptland, und der besondere Sitz dieses Industriezweiges Göp- pingen zu sein. Vorzüglich gearbeitete Schnürleiber lieferten zu der obenbesagten Ausstellung auch die Geschwister Willmann in Karlsruhe.

39. Damen-Schneiderinnen. Unter den selbstständigen Nähtcrei-- und Schneidereibeschäftigungen dürfte wohl die Verferti­gung von Damen- und Kinderkleidern noch am meisten in den Be­reich der häuslichen Thätigkeit der Frauen hineinreichen, fast mehr noch, als die Anfertigung von Leibwäsche, Weißnähterei u. dergl. Gar viele haushälterische Familienmütter besorgten ehedem und be­sorgen jetzt noch, besonders mit Hülfe der Nähmaschine, auch diesen Theil der Nähterei selbst, und verfertigen für sich, wie für ihre Kin­der die nöthigen Garderobcnstücke.

Die vornehmen Römerinnen des Alterthums hielten viel auf ihre Kleiderkünstlerinnen. Neben der Spinn- und Webstube befand sich in reichen römischen Häusern die Schneiderei; denn die Domina (Herrin) kaufte höchstens die kostbaren Stoffe von syrischen und alexandrinischen Kaufleuten. Die Verfertigung der Kleider aber, welche sowohl aus diesen, als auch aus den von den leibeigenen HauS- spinnerinnen und Weberinnen angefertigten Stoffen gemacht wurden, und das Anpassen blieb allein ihren ebenfalls leibeigenen Hausschnei­derinnen überlassen. Etwas Hartes, Schlechtbelohntes, Niederdrücken­des von der Sclaverei klebte übrigens der Nadelarbeit bis auf unsere Zeit, bis die Nähmaschine erfunden ward, noch immer an.

Das alte Sprichwort:Kleider machen Leute" findet nicht un­bedeutende Anwendung auf den Anzug der Frauen. Ja, derselbe giebt sogar einen Anhaltpunkt, einigermaßen auf den Charakter der Trägerin schließen zu können. Denn nur richtiges Urtheil und Ge­schmack vermag in der Wahl des Anzuges das Richtige zu treffen, wobei namentlich zu beobachten ist: »Alter, Gesichtsfarbe, Gestalt, Mittel, Stand, Bequemlichkeit und Schicklichkeit." Damen, die über volle Börsen verfügen können, vermögen sich allerdings zu kleiden,