Damen-Schneiderinnen.

97

wie sie wollen. Dieselben fallen aber meistens in den Fehler der Ueberladung, der Prunk- und Gefallsucht, sowie der Geschmacklosig­keit. Um so mehr können Damen mit sparsamen Mitteln diese Klippe vermeiden und sich, wenn auch nicht reich, doch nett und anständig tragen. Geschmackvolle Kleidung hebt die Schönheit und kommt sogar einer unansehnlichen Gestalt zu Hilfe. Zu viel Kleidcrpracht aber verrath Hohlheit und ist gewöhnlich mit Geschmacklosigkeit ver­bunden.

Aus dem Gesagten erhellt denn auch zum Theil wohl, was eine gewandte Damen-Schneiderin vermag, und wozu dieselbe Geschick haben muß. Frankreich ist die Quelle, aus der die immer neu wechselnden Moden für Damenkleider entspringen (die aber jenseits des Meeres, sowie sie den Boden Amerika's betreten, auch gleich vollständig amerikanisirt zu werden pflegen).

In Deutschland wird das Anfertigen von Damenkleidern sehr häufig von Männern betrieben, und auch sogar am Broadway in New-Aork befindet sich ein solches von einem Manne geführtes Geschäft.

Natürlich ist es für eine Damen-Schneiderin, wenn sie ein eige­nes Geschäft führen will, nothwendig, sich eine Kundschaft unter einer guten Klasse von Leuten zu erwerben, von der sie sicher sein darf, ihre Bezahlung zu erhalten, und sie muß auch vorsichtig sein und nicht gleich Jedermann allzu zuvorkommend ihr Vertrauen schenken.

Viele Damen-Schneiderinnen in New-Iork haben zahlreiche aus­wärtige Kundschaft, von der sie das Maaß besitzen, und der sie auf schriftliche Bestellung hin das Nöthige besorgen. Frau Penny erzählt von einer New-Iorker Damen-Schneiderin, welche nie für Fremde arbeitete, wenn dieselben nicht ausdrücklich von einer ihrer Kunden empfohlen wurden. Andere Damen-Schneiderinnen arbei­ten nicht gerne für Dienstboten. Denn dieselben pflegen eben nicht gut zu bezahlen, höchstens K 1 für das Kleid, aber doch dieselben An­sprüche zu machen, wie ihre Dienstherrschaften. Und doch sind ca. 10,000 weibliche Dienstboten in New-Iork, von denen Jeder wohl 3, 6 oder 8 neue Kleider in Einem Jahre machen läßt!

Daß sich Männer mit solcher Arbeit abgeben, ist schon erwähnt, und es bleibt nur noch zu bemerken, wie man in Amerika noch viel­fach der Meinung ist, daß männliche Arbeiter besser zurichten können, als weibliche. So manche Amerikanerin zieht es daher vor, ihre Basquets und Reithabits von Damenschneidern anfertigen zu lassen.

In Deutschland jedoch, wie z. B. in Bayern, giebt es in den größeren Provinzialstädten schon keine Damenschneider mehr, vielmehr liegt dieser Erwerbszweig ganz in den Handen des weiblichen Ge­schlechts; selbst in München giebt es eine Hofschneiderin.

Eine allgemeine Klage ist, daß die Kunden in Damenkleider- Verfertigungsgeschäften hinsichtlich der Zeit, wann gemachte Bestel­lungen ausgeführt sein sollten, sich nie auf die erhaltenen Angaben verlassen können. Daher würde es solchen, welche gerade hierin

7