118 Verfertigung von Herren- und Knaben-Anzügen.

behaupteten, daß Frauen nie einen schönen Männcrrock herstellen könn­ten. Und doch sind die meisten derartigen Anzüge, welche in den Kleider Handel gelangen, von weiblichen Handen gemacht. Es mag allerdings etwas Wahres daran sein, daß Frauen nur mit seltener Ausnahme werden gut zuschneiden können, da sie überhaupt we­nig Geschick dazu haben, auch nicht die erforderliche Zeit darauf ver­wenden, es ordentlich zu erlernen; sowie diese Arbeit in einiger Be­ziehung auch zu anstrengend für sie ist. Aber schön zu nähen ver­möchten sie. gewiß und in kurzer Zeit zu erlernen, zumal an der Nähmaschine, so daß fast alle Schneiderarbeit von ihnen verrichtet werden könnte. Insbesondere würde das Verfertigen von Knaben- Anzügen einen sicheren und verhältnißmäßig lohnenden Erwerbszweig für sie abgeben.

Beachtungöwerth ist, was in dieser Beziehung das Londoner >1eelianie8 Aluxurine" in einem früheren Jahrgange ausspricht: Die Männer sollten auf die einförmige Plackerei der Handnähterei endlich einmal zu Gunsten der Maschinenarbeit verzichten, welche Frauenspersonen leicht im Stande wären zu versehen. Drei Viertel der Schneidergesellen und Lehrlinge Großbritanniens, an 50,000 In­dividuen, könnten sich bei weitem nützlicher machen, wenn sie z. B. statt der Nadel die Schifffahrt oder sonst eine ihnen passendere Be­schäftigung, wie Landwirthschaft, Maschinenbau u. dergl. zu ihrem Berufe wählen würden."

Auch für uns in Deutschland hätte dieser Rath großen Werth, besonders da in vielen Gegenden der Mangel an Gehülfen in der Laudwirthschaft recht fühlbar wird. So sehr diese Hinweisung auf einen würdigeren Berufszwcig vielleicht denjenigen Lesern, welche das Schneidergewcrbe treiben, hart und ungerecht scheinen mag, so müssen wir doch gestehen, daß wir auf dessen Erwägung großes Ge­wicht legen. Der Schein der Härte, den jener Rath an sich trägt, daß sich gesunde, junge Männer eher dem Land baue zuwenden sollten, als einem Gewerbe, am allerwenigsten der Nadel, liegt eigent­lich in der ungerechten Würdigung der Beschäftigung des Landbaues, wie sie jetzt noch trotz unserererleuchteten" Zeit leider bei Vielen wurzelt.Der Landbau ist die gesundeste, die nützlichste und die edelste Beschäftigung des Mannes" sagt Washington, der Mann, den ein großes, mächtiges Land denVater des Vater­landes" nennt, und der nicht nur ein großer Mensch, Staatsmann und General, sondern auch ein eifriger Landwirth war. Freilich, so lange bei uns in Deutschland der Ackerbau nur immer mit den Mus­kelkräften des Körpers, und nicht auch mit den Kräften des Geistes betrieben wird, so lange der deutsche Bauer nur seine dümmsten Jungen auf dem Lande behält, und die gescheiteren zur Stadt schickt, so lange nicht erkannt wird, welche Einsicht, welche Er­fahrungen, welches Studium des Bodens, der Luft, der verschiedenen Pflanzen, ihres Wuchses, ihrer Nahrung u. s. w. zum Betriebe der