Verfertigung von Herren- und Änaben-Anzügen. 121

die Beschaffung von Arbeit sorgen. Ebenso arbeiten Schneider, in­dem Frau und Kinder ihnen mit der Maschine beim Nähen behilf­lich sind.

In England, wo jedoch (1862) noch am meisten von Männern die Schneiderei betrieben wird, theilte sich die Bezahlung der Arbeit in zwei Arten. Die allgemeine war die sogenannte Tagesarbeit, welche im Sommer 12, im Winter 11 Arbeitsstunden hatte, wofür bessere Arbeiter bis zu 6 8. 86. erhielten. Es war wohl nur da­durch möglich, einen so hohen Lohn für Tagesarbeit zahlen zu kön­nen, weil zur Anfertigung eines jeden Stückes eine bestimmte Zeit innegehalten werden mußte. Bei größeren Stücken wurden gewöhn­lich mehre Arbeiter zugleich verwendet; sowie in der beschäftigtsten Saison, wenn nöthig, über die gewöhnliche Zeit hinaus gearbeitet und dafür stundenweise separat bezahlt wurde. Die zweite Art der Bezahlung war die Stückarbeit, wobei es mehr im Interesse des Arbeiters lag, den erhaltenen Auftrag in kürzester Zeit mit größ­ter Umsicht fertig zu machen. Doch die Einführung der Näh­maschinen in neuerer Zeit hat auch bei diesem System theilweise eine Aenderung hervorgerufen.

Das Zuschneiden ward bisher in Amerika, in England und auf dem europäischen Continente, als für Frauen zu anstrengend, von Männern besorgt. In England üben Zeichner und Zuschneider in den renommirteren und überhaupt in allen besseren Etablissements ihren Beruf nach kunstgerechten Regeln. Die Systeme der Zeichner und Zuschneider sind zahlreich und manche sehr complicirt und durch­dacht. Die in diesem Fache verwendeten Personen sind der Mehr­zahl nach größtentheils gebildete und geschulte Männer. Die Salaire sind ihren Kenntnissen angemessen und man würde es bei uns un­glaublich finden, wie dort tüchtige Zeichner und Zuschneider bezahlt werden.

Die Londoner Schneider haben auch eigene Arbeiter-Asyle und mildthätige Anstalten, z. B. das von John Stultz in der Nähe dieser Weltstadt gestiftete Institut, das aus's trefflichste für 28 Ar­beiterfamilien eingerichtet ist. Bei vacanten Plätzen sind alle jene Arbeiter, die, bei stets tadelloser Aufführung, ein bestimmtes Alter erreicht haben, krank oder arbeitsunfähig geworden sind, befugt, um Aufnahme nachzusuchen, wobei jedoch jene, die im Hause Stultz längere Zeit beschäftigt waren, den Borzug erhalten.

Die Schneider in England Pflegen auch Musterbücher über die von ihnen verarbeiteten Stoffe zu halten, wodurch sie unendlich an Waarenkunde in ihrem Fache und an Geschmack gewinnen. Es wäre in der That wünschenswerth, daß auch Arbeiterinnen diesem Beispiel folgen würden, um dadurch ihre Fähigkeiten zu bilden, sich Praktische Kenntnisse zu erwerben, und sich für jedmögliche lohnende und passende Gcschäftsverwendung tüchtig zu machen.

Ueberall hat das Kleingewerbe der Schneiderei unter dem Ein-