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Die Strumpfwirkerei.

Kunden der Fabrikanten von gewebten, geflochtenen und gewirkten Waaren. Lage und Verhältnisse des Abnehmers aber, sowie die von demselben beabsichtigte Derbrauchswcise des Fabrikats lassen zwar die an dasselbe gestellte Anforderungen bis in's Unendliche variiren; mit sehr geringer Ausnahme jedoch wird die hervorragendste, von allen Käufern gleichmäßig gestellte Forderung an die zu erzeugenden Waa­ren die der Billigkeit sein, und dadurch ist die Allgewalt und Unentbehrlichkeit der nie hungernden und nie ermüdenden, Tag und Nacht mit gleicher Präcision fortarbeitenden Fabrikationsmaschine bedingt und garantirt. Allerdings bemächtigt sich dieselbe in der Regel mit Unaufhaltsamkeit der bisher unbestritten von der Hand­arbeit behaupteten Gebiete des Gewerbes und bringt Tausende von Menschen, wenn sie sich nicht ohne Verweilen einer anderen Beschäf­tigung zu widmen verstehen oder nicht die Gelegenheit dazu haben, in momentane Noth. Aber soll denn die Welt verzichten auf den mächtigsten Hebel ihrer Entwicklung, der fortschreitenden Industrie, weil dieselbe Uebelstände, Mühsale, schwere Bedrängnisse für Indivi­duen, Stande und Völker mit sich führt? Nichts ist ohne Kampf zu erringen, nichts ohne Opfer zu gewinnen.

Im Alterthume war der Gebrauch der Strümpfe ein Gegen­stand des Luxus; ja noch zur Zeit des Mittelalters sogar, und wurde erst allgemein, nachdem die Erfindung der Strumpfwirkern Gelegen­heit geboten hatte, dieses jetzt so unentbehrliche Kleidungsstück auf eine schnellere und dadurch wohlfeilere Weise anzufertigen, als dies bisher durch die Hausstrickerei möglich gewesen. Vor der Zeit der Königin Elisabeth wurden nur Strümpfe aus groben wollenen Zwirn gestrickt oder aus seidenem Zeug zugeschnitten und genäht. Gegen Ende des 16. Jahrhunderts (1589) gelang es aber dem Engländer William Lee in Calverton (Nottingham), einen Strumpfwirkstuhl herzustellen. Lee,, ein Prediger seines Amtes, vernachlässigte ob seiner Lieblingsbeschäftigung mit mechanischen Arbeiten die ihm über­tragene Seelsorge; weshalb er seiner Stelle entjetzt wurde und in tiefe Armuth gerieth. Nun war es seine Frau, welche das groß­müthigste Opfer brachte, indem sie unermüdet und ohne Murren sich Tag und Nacht mit Stricken beschäftigte, um nur die Mittel zum nothwendigsten Lebensunterhalte der Familie zu gewinnen. Das fort­währende Erklingen der emsig gehandhabtcn Nadeln weckte in dem armen Manne stets die bittersten Vorwürfe über die Vergangenheit und brachten ihn endlich auf den Gedanken, eine mechanische Vorrich­tung zu erfinden, welche die Arbeit der Finger ersetzen sollte. Und dies gelang ihm denn auch. Die Königin Elisabeth lelbst würdigte seinen Erfindungsgeist, indem sie ihn nicht nur in seiner Wohnung aufsuchte, sondern auch von ihm Proben seiner Erzeugnisse in Em­pfang nahm. König Jacob wollte aber von der aufgeklärten Politik seiner Vorgängerin nichts wissen, und Lee folgte, als er sich in sei­nem Heimathlande vernachlässigt sah, der Einladung des großen