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Netze verfertigen. Das Sticken.

finden. So z. B. eine Netz- und Schlagnetzfabrik in Gloucester (N. I.), welche außer der Fabrik 100 Arbeiterinnen, die pr. Stück bezahlt werden, aber nur wenige in der Fabrik beschäftigen, die Wo- chenlohn erhalten und täglich 10 Stunden arbeiten. Und eine Zwirn- und Netzfabrik in Boston beschäftigt ebenfalls Frauenspersonen und bezahlt pr. Stück.

Das Netzestricken zu lernen erfordert gleiche Zeit, als etwa das Strumpfstricken; jedoch wurde, um das Geschäft gründlich zu erler­nen, seither eine fast einjährige Lehrzeit angenommen.

Am beachtenswerthesten ist in dieser Beschäftigung, daß vom Oktober bis Juni am meisten zu thun giebt, einer Jahreszeit, wäh­rend welcher so viele andere Frauenbeschäftigungen fast stille zu lie­gen Pflegen.

72. Das Sticken ist eine Beschäftigung der Frauen von solcher Bedeutung und solchem Umfange, daß wir es geboten erachten, auf diesen Gegenstand schon etwas gründlicher und ausführlicher eingehen zu müssen.

Nach dem alten römischen Schriftsteller Plinius sind es die Phrygier (ein Volksstamm in Kleinasien), denen wir die Erfindung der Stickerei verdanken, welche übrigens aus den ältesten Zeiten stam­men muß, indem man sie in der Geschichte aller Nationen erwähnt findet. Man stickte damals nicht allein mit Seide und Wolle, son­dern verwendete das verschiedenste Material, wie Gold- und Silber­fäden, Baumrinde, Samenkörner, Elfenbeinplättchen, Metallpoiletten, kostbare Steine und Federn dazu. Früh schon war man darauf be­dacht, die zur Toilette wie zu Meublement der Wohnungen gehörigen Gegenstände mit Stickereien zu schmücken, deren Styl, mehr oder weniger bizarr, die Geschmacksrichtung jeder einzelnen Nation vertrat und zur Geltung brachte. Die äußeren Rangunterschiede waren oft durch Stickereien auf den oberen Gewändern bezeichnet. Da nun die meisten Würden jener Zeit in einem gewissen Zusammenhange mit der Religion und heiligen Gebräuchen standen, so waren die Embleme und Ausschmückungen auch dem herrschenden Cultus ent­lehnt, so daß man in der That den Altar als die Wiege einer Industrie betrachten darf, in welcher sich alle Völker des Orients, sowie die Chinesen und Jndier wesentlich auszeichneten. So war z. B. die Stadt Babylon besonders berühmt durch die Verschieden­heit und den großen Reichthum ihrer Stickereien. Dort wurden die kostbaren Decken für die Gastbetten angefertigt, die zu Cato's, des alten Römers, Zeiten für 800,000 Sesterzien (etwa 40,000 preuß. Thaler!) verkauft und später von Nero zu 4 Millionen Sesterzien bezahlt wurden.

Bei den vornehmen Römerinnen im Alterthume war dicht an den für die Hausschneiderei bestimmten Räumen auch jene der Sticke­rinnen, Haussklavinnen, deren Aufgabe es insbesondere war, die