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Die Stickerei.

welche im Stande waren, Stickereien, wenn sie nicht ganz kunstvoll, insbesondere in der Auswahl der Farben, sein sollen, schnell und schön herzustellen. Die Erfindung der Nähmaschine verdanken wir Amerika; die der Stickmaschine jedoch Europa. Es erklärt sich dies auch aus der Verschiedenheit des Bedürfnisses, welches diese beiden Erfindungen in's Leben gerufen hat. In Amerika fehlte es nämlich an Arbeitskräften zur Herstellung selbst der nothwendigsten Nähtcreien, und um diesen empfindlichen Mangel abzuhelfen, kam man auf die Idee, eine mechanische Aushülfe dafür zu finden. Elias Howe errang vor anderen Mitbewerbern den Preis, indem er die erste praktisch verwendbare Nähmaschine herstellte. Dagegen ward die Stickmaschine durch die besonders gegen Ende des vorigen und am Anfange dieses Jahrhunderts in Europa herrschende Sitte veranlaßt, nach welcher sowohl Herren wie Damen gestickte und ver­zierte Kleidungsstücke trugen.

Je nach den verschiedenen Arten der Stickereien sind auch ver­schiedene Maschinen hiefür erfunden worden. Stickrahmen mit Sperr-Rädern und Kegel hatte man schon zur Zeit der Clara Rollain gekannt, welche 1775 in Eibenstock (iin Obererzgebirge) die Tambourinstickerei (uu eioeliet) einführte. 1830 construirte der französische Schneider Thimonier die erste cinfädige Ketten­stich- oder Tambourirmaschine. Heilmann aus Mühlhausen im Elsaß aber erfand 1828 die sog.Stickmaschine". Stickereien, welche man vordem nur ausnahmsweise auf kostbare Stoffe mittelst Handarbeit applicirte, werden jetzt mit Hilfe dieser Maschine sogar auf ganz gewöhnlichen Stoffen erzeugt. Im Jahre 1842 stellte Gönnet in Lyon den Nadelstuhl her, welcher für die Mousselin- Stickerei mit Baumwolle berechnet, das Muster in Plattstichmanier auf beiden Seiten gleich werden läßt. Und ein in Milleville (Mass.) lebender Schweizer, Namens I. G. Spitzle, hat einen sehr sinnreich zusammengesetzten Webstuhl zu Stickereiarbeiten erfunden.

Zur Ausführung von Plattstickerei (auchfranzösische" ge­nannt) haben wir nunmehr die schon erwähnte H eilmann'sche Stick­maschine. Beinahe 10 Jahre lang bedurfte es, bis der geniale Er­finder seine Schöpfung, und zwar erst in England, zur Anerkennung zu bringen vermochte. In dieser Maschine befinden sich nicht weni­ger, als 130 doppeltspitzige Nadeln (mit dem Oehre in der Mitte) und 260 kleine Zängelchen in Thätigkeit. Jede einzelne Nadel wird von zwei Zängelchen geführt, von denen eines über dem Stosse die Nadel faßt und sie von oben nach unten durch das Zeug stoßt, und dann ein anderes dieselbe unter dem Tuche empfängt und sie dann wieder von, unten nach oben drückt; worauf das Spiel von neuem beginnt. Alle oberen Zangen öffnen und schließen sich gleichzeitig; alle unteren schließen sich kurz bevor sich die oberen öffnen, und öffnen sich wieder, kurz nachdem sich die oberen geschlossen haben. Eine Arbeiterin, welche mit den Fußen das Auf- und Niedergehen zweier