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Die Stickerei.
gens der Hauptplatz für Buntstickerei und der damit zusammenhangenden Beschäftigungen. Die Hauptstadt Preußens treibt mit diesen Artikeln einen wichtigen Handel mit der neuen Welt und versendet allwöchentlich große Kisten mit Tapisserie-Arbeiten aller Art nach den Seestädten und von dort aus über das Weltmeer. Größ- thenthcils sind die niedlichen, oft höchst kunstvollen Arbeiten vollendet, zum Theil aber auch nur angefangen und mit Knäueln von bunter Wolle in allen Schattirungcn begleitet, die zur Vervollständigung nothwendig sind. Tausende von Mädchen und Frauen schaffen mühevoll lange Tage, oft wohl Nächte hindurch, Jahr aus, Jahr ein für die zahlreichen großen Handlungen. Viele Damen erwerben sich wohl auch nebenbei mit Anfertigung solcher Arbeiten — ein Nadelgeld zur Verschleuderung an eitle Toiletttenartikel, während eine ganze Klaffe aber davon leben — leben ! muß, nämlich jene große halb gebildete Klasse, wo der Mann irgend ein subalternes Amt bekleidet, — oder die Klasse der Bürgerstöchter, der Schreiberwittwen unter allerlei Titeln, und viele, die — einstens bessere Tage gesehen hatten. — Die großen Handlungen geben gerne Arbeit, Wolle und Muster, aber — bezahlen so wenig als nur möglich für die abgelieferten Artikel. — Eine Besserung in dieser Hinsicht ist durch den „Victoria-Bazar" eingetreten, welcher wie schon gesagt den Verkauf von Frauenhänden gefertigter Artikel zum Vortheile der Arbeiterinnen und des kaufenden Publikums besorgt. „Hier liegen Kragen und Manschetten mit Stickereien, von denen man nicht weiß, was man zuerst bewundern soll, die saubere Ausführung, oder — man verzeihe uns den Ausdruck — die wahrhaft geistvolle Composition. Weiße Blousen, Chemisetts, gestickte Taschentücher, kurz, was man unter dem Namen „Lingericn" (Weißwaaren) begreift, sind in reicher und geschmackvoller Auswahl vorhanden; Tapisserie-, Mosaik-, Heikel-, Filet-, Phantasiearbeiten: was nur die Nadel in der geschickten und ausdauernden Hand der Frau hervorzubringen vermag, ist hier in Auge und Herz gleich wohlthuender Vereinigung beisammen" (siehe „Bazar" S. 343, Jahrg. 1866). Es sind zwar die besten und ausgezeichnetsten Arbeiten nur, denen dieses Institut seine Sorge angcdeihen lassen kann; aber welch' Gutes wird schon dadurch gestiftet, was zumal in seiner Wechselwirkung auf gewöhnlichere und mittelmäßige Stickereiarbeit nicht ohne wesentlichen, wohlthätigen Einfluß bleibt. — Hier verdient jedenfalls auch noch die Mosaikstickerei von Johanne und Amalie Mariens in Köln kurzer Erwähnung.
Auch im bayrischen Fichtelgebirge beschäftigt man sich mit Weißwaaren und Weißstickercien. — Eine besondere Art von Stickerei- Arbeiten aber hat Bayern auszuweisen, welche Frauenspersonen guten Verdienst gewährt, nämlich die Stickereien von Ornaten und Kirchen- paramenten. Augsburg ist der Hauptplatz dieses Stickereiartikels. In Nürnberg wird eine ganz eigenthümliche Flittergoldstickerei, gro-