Fabrikation der Spitzen.

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Höfen waren die Brabanter Spitzen ein unumgängliches Erforderniß zur Toilette, und wenn die Klosterspitzen sich noch immer ihren gan­zen Werth erhielten, so waren die flandrischen in ihrer Verbreitung all­gemeiner, da man sie mit weniger Kostenaufwand erhalten konnte. Was vor allen anderen Landern Belgien am geeignetsten für die Fabrikation der Spitzen machte, das ist der vortreffliche, nirgend in solcher Güte gewonnene Flachs, der erste und wichtigste Bestandtheil zu den duftigen Spitzengeweben. Doch er allein hatte nicht genug zu der Vollkommenheit derselben beitragen können, wenn er nicht von den belgischen Spinnerinnen (die aber auch nur in Souterrains oder feucht gehaltenen Räumen arbeiten dürfen, weil der Flachs in trockener Luft brüchig wird und die Gleichmäßigkeit des Fadens beeinträchtiget), die in der Welt wohl nicht ihres Gleichen haben, so ausgezeichnet zu Fäden von fabelhafter Feinheit versponnen würde. Das Pfund dieses feinsten aller Zwirne wird oft im Handel bis 10,000 Frcs. bezahlt, während das zu den gewöhnlicheren Spitzen auf 161800 Frcs. kommt. Daß Brüffel seinen Weltruf in der Spitzenfabrikation behauptet hat, muß es ferner nicht bloß der Ge- schicklichkeit der Spitzenarbeiter, sondern auch den Fortschritten seiner Spitzenzeichner Dank wissen, die die Musterzeichnung als selbst- ständigen Zweig der Kunst pflegend, stets neue Muster entwerfen und sie der Spitzencrzeugung zuführen. Auch haben, wie in Frankreich, die belgischen Fabrikanten stets darauf gesehen, eine Verschlechterung des Fabrikats zu vermeiden, und dadurch den Credit ihrer Erzeug­nisse bewahrt.

Da in Folge der am französischen Hofe bestehenden übertriebe­nen Prunksucht große Massen Geldes für Venetianische Spitzen in's Ausland gingen, ließ der Minister Ludwigs XlV., Colbert, im Jahr 1666 an 200 Spitzenklöpplerinnen aus Flandern und 30 der geschicktesten Arbeiterinnen aus Venedig kommen, und bewilligte ihnen, um sie an ihre neue Heimath zu fesseln, 36,000 Livres zu ihrem ersten Unterhalte. Die niederländischen Arbeiterinnen wurden in Pa­ris untergebracht und verpflanzten dorthin die Fabrikation der bis­her nur in ihrer Heimath angefertigten Spitzen. Die Venetiane- rinnen fanden in Alenhon ein Asyl, und durch sie erstanden dort von Neuem die so werthvollen alten point8 6e Veni86, die aber spater poinl8 ckö lbrnnee und endlich ausschließlich von der Stadt, wo man sie fertigte, poirit8 ck'^Ienhon genannt wurden. Bis zur Re­volution beschäftigte das Verfertigen von Spitzen mit durchbrochenen Blumen und Mustern in Aleneon an 3000 Frauen und kostete die Elle dieser Fabrikate 8150 Frcs. Die in Paris gegründete Ma­nufaktur gerieth später wieder in Vergessenheit, die von Alen^on hingegen hat sich bis auf die neueste Zeit den Ruf ihrer Vorzüglich- keit zu erhalten gewußt. Mehr aber noch als Spitzen sind in Frankreich die weißen und schwarzen Blonden (seidene Spitzen) und ihre Fabrikation zu Hause. In der alten Stadt Caen in der

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