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Fabrikation der Spitzen.

Normandie machte man die ersten Versuche zum Weben der Blonden. Tort und in der Stadt Bayeux fertigt man namentlich Schleier, Shawls und Echarpen aus diesem zarten Seidengewebe.

In unserem deutschen Vaterlande sind es namentlich das sächsi­sche Erzgebirge und das Voigtland, welche ihre Spitzen durch Ver­käuferinnen in ganz Deutschland umhersendcn. Aus den Händen die­ser armen, aber durch ihre Redlichkeit bekannten Mädchen geht oft der kostbarste Spitzenschmuck unserer wohlhabenden schönen Damen hervor. Allein wie selten gedenken diese beim Tragen ihrer Spitzen- echarpes, reich verzierten Fichus u. dergl. der armen Arbeiterinnen, die daheim vor den Thüren ihrer armseligen Hütten viele Tage bei angestrengtestem Fleiße zubringen, um solchen Schmuck zu schaffen, und damit kaum das kärgliche Brod verdienen können, alte Eltern und zahlreiche Geschwister zu ernähren. Jener so treffende Ausspruch eines Weisen der alten Zeit muß uns bei diesen genügsamen, fleißi­gen Menschen einfallen:Der Schweiß der Armen ist der Schmuck der Reichen!" Möchten die Käuferinnen dieser zarten Arbeiten es daher vorziehen, ausschließliche Kundinnen der deutschen Stickerinnen zu werden, und möchten sich die Mitglieder der Vereine für Erweiterung der Erwerbsfähigkeit und zur Unterstützung der Frauen ebenfalls dazu verbindlich machen, und auch für die­sen Artikel zur Errichtung einer direkten Verkaufsvermittlung nach dem Beispiele desVictoria - Bazars" in Berlin Anlaß nehmen. Dann würden die Bevorzugten, welche diese Erzeugnisse fleißiger und geschickter Hände tragen können, noch mehr durch dieselben geschmückt werden, und zugleich denen Brod und einen gleich­mäßigen Verdienst geben, die vom Schicksal auf einen so bescheidenen Platz gestellt wurden, wie diese armen Stickerinnen. Möchten sich unsere vornehmen und wohlhabenden Damen, um vereint etwas Gutes zu stiften, nicht von solchen beschämen lassen, die sogar als einzelne Frauen, aber keine Opfer scheuend, es dazu brachten, als Wohlthäterinnen eines ganzen Landesdistricts im dankbaren Angeden­ken des Volkes fortzuleben. Eine solche Frau war Barbara litt mann, geb. Elterlein, die Tochter eines Nürnberger Patriciers, die sich durch Einführung des Spitzenklöppelns im sächsischen Erz­gebirge so große Verdienste um jene gebirgige, von einer fleißigen und genügsamen Bevölkerung bewohnten Gegend erworben hat, welche, nachdem die im 16. Jahrhundert bei Annaberg erschürften reichen Erzgängeanssaugten", d. h. an Ergiebigkeit nachließen und verlas­sen werden mußten, in große Noth und tiefes Elend zu gerathen drohten. Auch ihr Vater war, wie so viele andere Familien, auf die Nachricht, daß der Schooß des Erzgebirges einen reichen Schatz Silbers berge, nach Annaberg ausgewandert gewesen und 1561 mit in jene Zeit der Noth und Unberathenheit gekommen. Barbara, 1514 geboren, hatte in ihrer frühesten Jugend sich schon an Thätig­keit gewöhnt und etwas Tüchtiges gelernt. Sie zeichnete sich schon