Fabrikation der Spitzen.

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frühe im Verfertigen gestickter und genähter Spitzen aus. Als Braut wollte sie ihrem Bräutigam eine Arbeit fertigen, wie sie noch keine der Jungfrauen Annaberg's und des ganzen Erzgebirges gemacht haben sollte, und sie beschloß, ihm den damals üblichen Hoch­zeitstagen selbst zu verfertigen. Hierbei hatte sie sich'S zur Auf­gabe gestellt, das mühsame Sticken mit der Nadel zu vermeiden, und die Oessnungen, welche durch das Kreuzen des Fadens entstehen muß­ten, durch kunstreiche Verschlingungen und Verknüpfungen auszufüllen und zu verbinden. Es gelang ihr. Ihre Arbeit wurde ein Wunder der Schönheit, und sie hatte das Spitzenklöppeln erfunden. Durch Flüchtlinge aus Frankreich und den Niederlanden lernte sie ihre Erfindung immer mehr vervollkommnen. Und, da die oben an­gedeutete bittere Noth über die ganze Gegend kam, da lehrte sie ihre mühsame Kunst den Hunderten und übermal Hunderten, welche sich herandrängten, mit der größten Bereitwilligkeit, Freude und Aus­dauer. Aus allen Ländern kamen bald große und umfassende Be­stellungen ein, und in Folge dessen flössen Millionen von Thalern den erzgebirgischen Arbeiterinnen zu. Freilich wurden diese Arbeiten da­mals auch ganz anders gewürdigt und bezahlt, als in jetziger Zeit, wo die fleißigste Spitzenklöpplerin kaum das Nothdürftigste für ihren Lebensbedarf erwerben kann; was sich aber gewiß bessern würde, wenn unser oben gegebener Wink Beachtung finden möchte. Bar­bara Uttmann starb am 14. Januar 1575 und sie wird auf einem Denksteine ihres Grabes auf dem Friedhofe zu Annabergals die Wohlthäterin des Erzgebirges" gepriesen. Die Spitzen- klöppelei ist für die fleißige Bevölkerung des (Erzgebirges Nr. 20 derNeuen Bahnen" von 1866 zufolge noch immer ein willkom­mener Industriezweig. Der Umsatz der erzgebirgischen Spitzen ward im Jahr 1865 zu 900,000 Thaler veranschlagt. Die Nachfrage nach dieser Waare war eine so große, daß sie nicht einmal befrie­digt werden konnte, da des geringen Arbeitslohnes wegen sich die Arbeitskräfte vermindern. Denn ein fleißiges Mädchen von 13 oder 14 Jahren kann nur 1^ Thlr., eine gewandte und fleißige Klöpple­rin aber nur bis 2H Thlr. pr. Woche verdienen. Es bestehen dort 25 Klöppelschulen, 3 Stickschulen und 1 Stick- und Pointschule, die von der Regierung unterstützt werden. Geklöppelte weiße Spi­tzen wurden früher besonders schwunghaft von BurkhardSdors ab bis Annaberg, Schneebcrg, Johanngeorgenstadt bis an die Voigtlandische Grenze, schwarze Spitzen zu A im Voigtlande und in der Ma- rienberger Gegend gefertigt; Blonden im Schwarzberger und Wiesen- thaler Distrikt, und genähte Waaren in Eibenstock, Schöppenhaide u. s. w. Dieser Fabrikation der genähten und geklöppelten wei­ßen Spitzen trat die französische Spitzenmanufanufactur, in Be­zug der übrigen die englische Maschinenproduction gefährlich entgegen, so daß die sächsische Spitzenindustrie schon anfing, nicht blos die aus­wärtigen Märkte zu verlieren, sondern, da die deutschen Mode-