Strohflechterei und die Verfertigung von Damenhüten. 237

derts hinaufreicht. Sie bildet für die Bevölkerung ToScana's den Hauptnahrungszweig, indem sie über 80,000 Personen Beschäftigung verschafft. Ein einziges Haus z. B. in Prato giebt 15,000 Men­schen Arbeit. In neuerer Zeit beschäftigt sich auch ein Theil der Bevölkerung Parma'S mit der Anfertigung dieser Art Geflechte. Das Stroh wird mit großer Sorgfalt behandelt und alle schadhaften Stellen desselben enfernt. Die Industrie bildet eine ausgedehnte Hausbeschäftigung. Das Fabrikat ist in Bezug auf vorzügliche Ar­beit, Reinheit des Stoffes und Regelmäßigkeit des Ellenmaaßes jedem anderen dieser Art überlegen. Mithin bestehen seine vorzüglichsten Eigenschaften in schöner Auswahl des dazu verwendeten Rohmate- riales und in Gleichmäßigkeit der Arbeit. Italien producirt jährlich ca. 3 Millionen Stück, deren Werth, je nachdem die Nach­frage gering oder stark ist, zwischen 810 Millionen Frcs. variirt. Es exportirt seine Geflechte nach allen Ländern; doch bleiben Frank­reich, England und Amerika seine regelmäßigen Käufer. Ohne we­sentlichen Erfolg hat man bisher versucht, diese Industrie in Frank­reich (Provence, Lothringen, Elsaß) und im Zollverein (würtember- gischer Schwarzwald) so einzuführen, daß er dem italienischen eben­bürtig werde. Indessen hat Italien nicht ohne große Kämpfe seinen ersten Rang in dieser Industrie behaupten müssen. Die Geschichte hiervon ist zu lehrreich über den Wechsel des Erwerbes, als daß wir sie hier nicht mittheilen sollten. Im Jahre 1818 waren an 40,000 Arbeiterinnen mit Strohflechten beschäftigt; bald wuchs die Zahl der­selben auf 80,000. Anfänglich verdiente jede Arbeiterin 1 IHFrcs.; manche hatten bei großer Ausdauer einen täglichen Verdienst von 2H Frcs., und es war in vielen Gegenden ganz gebräuchlich, daß die Töchter des Hauses zur Besorgung der ländlichen Geschäfte Mäd­chen aus den höheren Gebirgsgegenden mietheten, um sich ausschließ­lich der Strohflechterei widmen zu können. Im Jahre 1822 waren 1H bis 6^ Frcs. die täglichen Verdienste, und ein Hut von der größ­ten Vollendung kostete 300450 Frcs. an Arbeitslohn. Diese er­staunliche Höhe der Preise veranlaßte ausländische Spekulanten, den Rohstoff aus Toscana zu beziehen^ um die Arbeit im eigenen Lande machen zu lassen. Die nächste Folge hievon war große Noth in den Bezirken, welche besonders von dieser Arbeit gelebt hatten, Banke­rotte vieler Handelshäuser und Auswanderung der besten Arbeits­kräfte. Nach dem Berichte über die Ausstellung in London 1862 producirte Wien allein jährlich schon zwischen 3400,000 Stück, freilich ordinärer Strohhüte, deren Werth weit über eine halbe Mil­lion Gulden betrug. Schon glaubte man diesen Industriezweig auf immer für Toscana verloren. Allein bald stellte sich heraus, daß er in fremden Ländern doch nicht festen Fuß fassen konnte. Denn es war unmöglich, Arbeiter zu finden, welche den toscanischen gleichkamen. Indessen schickten sich die Italiener in die Umstände und gaben (wie es bis auf den heutigen Tag noch geschieht) ebenso