240 Strohflechterei und die Verfertigung von Damenhüten.

dem angrenzenden Böhmen fortwährend an Ausdehnung zu. In Sachsen sind Altenburg und Dippoldiswalde die Hauptorte dieser Industrie, mit der fast ausschließlich Frauen und Kinder beschäftigt sind. Sie giebt in ungefähr 150 Ortschaften, und zwar in 10 Fa­brik- und Fabrik-Verlagsgeschäften gegen 1500 Personen gewerbs­mäßig uud 4500 als Nebenbeschäftigung Arbeit und ernährt gegen 10,000 Menschen. Ihren Ausgang nahm sie eigentlich von Alten­burg, wo sie etwa seit 1812 eine größere Lebhaftigkeit entwickelte. Die ersten Strohflechterinnen waren vorher Klöpplerinnen, die also die nöthige Fertigkeit und Feinheit der Finger schon mitbrachten. Das Stroh wird in den Umgebungen der beiden genannten Städte gebaut. Man verarbeitet gerissenes Stroh in verschiedenen Fein- heitsgraden, wie allerwärts außerhalb Italien, und die Theilung geht von 7 zu 15 Fasern oder Zähnen. Die sächsischen Geflechte, gewöhn­lich von 24 Ellen Länge, werden größtentheils durch Faktore und Händler an auswärtige Hutfabriken rc. abgesetzt.

In den Weberdistricten des schlesischen Gebirges ist das Strohflechten erst ganz kürzlich als neuer Erwerbszweig zum Ersatz für die in Verfall gerathene Weberei eingeführt worden. Man hat Flechtschulen eröffnet, und der Erfolg ist ein sehr erfreulicher; denn es werden bereits sehr gute und zum Theil ausgezeichnete, den belgi­schen und englischen gleich kommende Geflechte erzeugt. Namentlich wird auch die Schönheit des Materials hervorgehoben, das der dor­tige Boden liefert; dasselbe soll zum Theil so vorzüglich sein, daß selbst Geflechte aus »«gespaltenen Halmen daraus hergestellt werden können.

Wie schon einmal beiläufig erwähnt, ist die Erzeugung von Strohhüten in Oesterreich nicht unbedeutend, und producirt Wien jährlich zwischen 3- bis 400,000 Strohhüte im Werthe von circa 500,000 fl. ö. W. Auch in Kärnthen, Mähren, Steiermark, Tyrol und Ungarn beschäftigt man sich mit Flechtarbeiten aus Stroh, wenn auch roherer Art und für den eigenen Bedarf bestimmt. Der schon mehrfach erwähntePräger Centralverein zur Beförderung der Er­werbsthätigkeit der böhmischen Erz- und Riesengebirgsbe­wohner" begünstigt ebenfalls den Betrieb dieser Industrie und sind in Zinnwald und Graupen ca. 60008000 Personen mit Stroh- bordurenweberei beschäftigt.

Die Schweiz hat zwei Gegenden (Freiburg und Aargau), welche mit der Stroh-Industrie sich befassen. Im Kanton Frei­burg sind es die gebirgigen Theile, die Gruyere, die Gegend von Bulle rc., welche diesen Artikel produciren, die aber, weil der Be­handlung und Sortirung des Strohes nicht die rechte Sorgfalt ge­widmet wird, den englischen und belgischen Geflechten nachstehen, jedoch billiger sind. Freiburg producirt jährlich über 1,500,000 Stück im Werthe von 1 Mill. Frcs. und exportirt nach Amerika, England, Italien und Rußland. Aargau verfertigt seine Geflechte aus