Strohflechterei und die Verfertigung von Damenhüten. 241

Roggenstroh, und benutzt den Halm in seiner ganzen Lange von Knoten zu Knoten. Das Stroh wird bei seiner Blüthe geschnitten und gebleicht. An Glanz und Schönheit des Strohes steht dieses Fabrikat zwar hinter jedem anderen; dagegen sind diese Gestechte jedem anderen an Geschmeidigkeit, Solidität und Wohlfeilheit über­legen und werden gefärbt verwendet. Diese Fabrikation ist für den betreffenden Landestheil von großer Wichtigkeit, da sie namentlich Kinder und gebrechliche Erwachsene beschäftigt. Die Produktion be- läuft sich auf über 3 Mill. Stück, in einem Werthe von höchstens 9 Mill. Frcs. Ihrer Wohlfeilheit wegen werden sie nach Amerika, Oesterreich, den Zollverein und Italien exportirt.

Die mühsamste und zeitraubendste, aber auch kunstvollste Arbeit zur Erzeugung von Strohhüten ist das Flechten. Obwohl es nur wenige physische Kraft in Anspruch nimmt und daher auch schon von Kindern mit gutem Erfolge betrieben werden kann, so ist es doch für den Anfänger bei anhaltender Anstrengung eine schmerzhafte Arbeit. Denn daö Umbiegen und Niederdrücken der Halme macht die ungewohnten, Finger leicht bluten. Es werden bei dieser Ar­beit zunächst eine Anzahl Halme zu einem schmalen Bande zusammen­geflochten. Je feiner das Band, desto mehr ist hiezu Geduld und ein wohlgeübtes Auge erforderlich; weil nur sehr kurze Hälmchen von kaum 1^ Zoll Länge bei den feinsten Bändern verwendet werden, und die Benutzung größerer Halmtheile durch ihre nach unten zunehmende Dicke das gleichartige Aussehen stören. Die Bänder erhalten nach der Anzahl der Halme, nach Feinheit und Muster verschiedene Namen und Preise. In Italien werden gewöhnlich 13 Halme zu einem Bande verflochten, während man in Deutschland bei groben Gestech­ten blos 7, selbst nur 5 verwendet.

Der Preis der feinsten Strohhüte steigt fast ausschließend durch die Flechtarbeit so hoch, daß solche Hüte theure Luxusartikel werden, obschon die Flechterin sich mit einem sehr kärglichen Lohne, ähnlich demjenigen, welchen die Handspinnerei abwirft, begnügen muß. Denn, wenn auch die feinsten Florentiner Hüte nicht selten mit meh­reren Hundert Francs bezahlt werden, so muß man berücksichtigen, daß zu deren Herstellung selbst die geschicktesten Hände wohl länger als ein halbes Jahr lang beschäftigt sind.

Auch von den Strohflcchterinnen in Amerika gilt dasselbe Ver­hältniß. DieTribune", eines der größeren New Jorker englischen Blätter, brachte schon 1845 einen Artikel über die Verhältnisse der Strohflcchterinnen, als einer großen,,und schlecht bezahlten Klasse Arbeiterinnen, welche von 7 Uhr Morgens bis 7 Uhr Abends unaus­gesetzt an der Arbeit sein müßten und denen kaum gegönnt sei, ihr frugales Mittagsessen hastig verschlingen zu dürfen, wobei sie dann pr. Woche S 2 bis K 2. 50 verdienen könnten. Von diesem Gelde müßten sie Kost und Wohnung, und da ihnen nicht so viel Zeit gelassen sei, es selbst besorgen zu können, auch ihre Wäsche bezah-

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